Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Fata Morgana

Fata Morgana

Titel: Fata Morgana Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Agatha Christie
Vom Netzwerk:
gute Nacht.«
    Edgar ging hinaus und warf die Tür hinter sich ins Schloss.
    Miss Bellever schnaubte: »Manieren sind das!«
    »Er ist so sensibel«, sagte Carrie Louise ausdruckslos.
    Mildred Strete klapperte mit den Stricknadeln und sagte scharf: »Er ist wirklich ein abscheulicher Kerl. Du solltest dir solches Benehmen nicht bieten lassen, Mutter.«
    »Lewis sagt, wir müssen es ihm nachsehen.«
    »Ruppiges Benehmen braucht man niemandem nachzusehen«, widersprach Mildred. »Aber Gina ist natürlich auch schuld. Sie ist derart schusselig in allem, was sie tut. Sie macht nichts als Ärger. Einmal ermuntert sie den jungen Mann, dann stößt sie ihn wieder vor den Kopf. Da braucht man sich nicht zu wundern.«
    Zum ersten Mal an diesem Abend meldete sich Wally Hudd zu Wort. »Der ist einfach überkandidelt! Und damit basta. Überkandidelt!«
     
     
    II
     
    Abends in ihrem Zimmer versuchte Miss Marple, sich einen Reim auf die Zustände in Stonygates zu machen, aber es war alles noch zu wirr. Es gab Strömungen und Gegenströmungen, aber ob das schon die Erklärung für Ruth Van Rydocks Unbehagen war, ließ sich noch nicht beurteilen. Miss Marple hatte nicht den Eindruck, dass Carrie Louise irgendwie von den Vorgängen um sie herum berührt wurde. Stephen war in Gina verliebt. Vielleicht war Gina auch in Stephen verliebt, vielleicht aber auch nicht. Walter Hudd war offenkundig unzufrieden. Das waren Vorgänge, wie sie überall und fast zu jeder Zeit auftreten konnten. Sie hatten leider überhaupt nichts Ungewöhnliches an sich. Sie endeten vor dem Scheidungsrichter, und dann fingen alle hoffnungsvoll von vorne an – und damit entstanden neue Verwirrungen. Mildred Strete war eindeutig eifersüchtig auf Gina und konnte sie nicht leiden. Das war nur natürlich, fand Miss Marple.
    Sie überdachte noch einmal, was Ruth Van Rydock ihr gesagt hatte. Carrie Louises Enttäuschung darüber, dass sie kein Kind bekam, die Adoption der kleinen Pippa – und dann die Entdeckung, dass doch ein Kind unterwegs war.
    »Das ist gar nicht so selten«, hatte ihr Arzt ihr gesagt. »Vielleicht legt sich die Spannung, und dann nimmt die Natur ihren Lauf.«
    Das Adoptivkind habe es dann in der Regel sehr schwer, hatte er hinzugefügt.
    Aber so war es ja in diesem Fall nicht gewesen. Sowohl Gulbrandsen als auch seine Frau hatten Pippa vergöttert. Sie war ihnen zu sehr ans Herz gewachsen, als dass sie sie leichthin hätten zurücksetzen können. Gulbrandsen war bereits Vater gewesen. Elternschaft war ihm nichts Neues. Carrie Louises mütterliche Sehnsüchte waren durch Pippa gestillt worden. Ihre Schwangerschaft war unangenehm, die Geburt selbst schwierig und langwierig gewesen. Möglicherweise hatte Carrie Louise, die nie viel für die Wirklichkeit übrig gehabt hatte, die erste Berührung mit ihr als lästig empfunden.
    Aber nun wuchsen zwei kleine Mädchen heran, die eine hübsch und amüsant, die andere unscheinbar und langweilig. Was wiederum, so überlegte Miss Marple, ganz natürlich war. Denn wenn ein Ehepaar ein kleines Mädchen adoptiert, sucht es sich ein hübsches aus. Mildred hätte mit etwas Glück auch den Martins nachschlagen können, denen die schöne Ruth und die zierliche Carrie Louise entsprossen waren, aber die Natur hatte entschieden, dass sie nach den Gulbrandsens kommen sollte, die grobschlächtig, phlegmatisch und alles andere als gut aussehend waren.
    Außerdem war Carrie Louise darauf bedacht, dass das adoptierte Kind sich niemals zurückgesetzt fühlte, und hatte daher Pippa zu nachsichtig, Mildred dagegen bisweilen ungerecht behandelt.
    Pippa hatte geheiratet und war nach Italien gegangen, sodass Mildred eine Zeit lang das einzige Kind im Haus gewesen war. Doch dann war Pippa gestorben, und Carrie Louise hatte Pippas Baby nach Stonygates zurückgeholt, und wieder hatte Mildred zurückstehen müssen. Dann die neue Ehe – und die Restarick-Söhne. Im Jahre 1934 hatte Mildred Kanonikus Strete geheiratet, einen gelehrten Altertumsforscher, der etwa fünfzehn Jahre älter war als sie, und war mit ihm nach Südengland gezogen. Man konnte vermuten, dass sie glücklich gewesen war – aber genau wusste man es nicht. Kinder waren aus der Ehe nicht hervorgegangen. Und jetzt war sie wieder da, zurück in dem Haus, in dem sie aufgewachsen war. Und auch jetzt, dachte Miss Marple, war sie hier nicht besonders glücklich.
    Gina, Stephen, Wally, Mildred und Miss Bellever, die einen geordneten Tagesablauf wünschte, ihn aber

Weitere Kostenlose Bücher