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Fata Morgana

Fata Morgana

Titel: Fata Morgana Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Agatha Christie
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nicht durchsetzen konnte. Lewis Serrocold, der offenkundig rundum glücklich war, ein Idealist mit der Gabe, seine Ideale in praktische Maßnahmen umzusetzen. Bei keiner dieser Persönlichkeiten fand Miss Marple, was sie nach Ruths Schilderung erwartet hatte. Carrie Louise stand – wie von jeher – unerschütterlich entrückt im Zentrum des Strudels. Was hatte Ruth in dieser Atmosphäre als beunruhigend empfunden? Und empfand sie, Jane Marple, es ebenfalls?
    Und wie sah es mit den Persönlichkeiten am Rande des Strudels aus? Dem Beschäftigungstherapeuten, den Lehrern, ernsten, harmlosen jungen Männern, dem zuversichtlichen Dr. Maverick, den drei jungen Missetätern mit ihren rosa Gesichtern und ihren unschuldigen Augen, mit Edgar Lawson...
    Hier hielten Miss Marples Gedanken unmittelbar vor dem Einschlafen an und kreisten um die Figur Edgar Lawson. Edgar Lawson erinnerte sie an irgendjemanden oder irgendetwas. Etwas an diesem Edgar Lawson war ein wenig aus dem Lot – vielleicht sogar mehr als nur ein wenig. Edgar Lawson war schlecht angepasst – so lautete der Fachausdruck doch, nicht wahr? Aber das konnte doch Carrie Louise nicht berühren?
    Im Stillen schüttelte Miss Marple den Kopf.
    Es gab noch mehr, was sie beunruhigte.

Fünftes Kapitel

I
     
    A m nächsten Morgen entzog Miss Marple sich unauffällig ihrer Gastgeberin und ging hinaus. Der Zustand der Gartenanlagen bekümmerte sie. Früher mussten sie die reine Pracht gewesen sein – der ganze Stolz der Besitzer. Gruppen von Rhododendronbüschen, sanft abfallende Rasenflächen, üppige Staudenrabatten, streng geschnittene Hecken, die einen formellen Rosengarten umrahmten. Jetzt war alles verwahrlost, der Rasen ungleichmäßig gemäht, die Rabatten voller Unkraut, in dem sich Blumen hoffnungslos verhedderten, die Wege moosbewachsen und vernachlässigt. Andererseits waren die von roten Ziegelmauern umschlossenen Küchengärten reich bestückt und gut gepflegt, wahrscheinlich wegen ihres praktischen Nutzens. Ebenso wie das große Gelände, das früher ein Rasen- und Blumengarten gewesen und jetzt eingezäunt und in Tennisplätze und einen Rasenplatz für das Bowling-Spiel aufgeteilt war.
    Miss Marple sah sich eine der Staudenrabatten genauer an, schnalzte indigniert mit der Zunge und riss eine prächtig gedeihende Kreuzkrautpflanze aus.
    Während sie noch mit dem Unkraut in der Hand dastand, tauchte Edgar Lawson in ihrem Blickfeld auf. Als er Miss Marple sah, blieb er zögernd stehen. Miss Marple war nicht gesonnen, ihn entkommen zu lassen, und rief laut seinen Namen. Als er sich näherte, fragte sie ihn, ob er wisse, wo hier Gartengeräte aufbewahrt würden.
    Irgendwo müsse hier ein Gärtner sein, nuschelte Edgar, der würde es wissen.
    »Ein Jammer, wie verwahrlost diese Rabatte ist«, zwitscherte Miss Marple. »Gärten sind meine Leidenschaft.« Und um zu verhindern, dass Edgar sich auf die Suche nach irgendwelchem Handwerkszeug begab, fuhr sie rasch fort:
    »Das ist so ziemlich die einzige Arbeit, die einer nutzlosen alten Frau noch bleibt. Ich kann mir vorstellen, dass Sie sich kaum jemals mit Gartenarbeit befassen, Mr Lawson. Sie haben ja so viele wichtige Arbeiten zu erledigen. In Ihrer Vertrauensstellung hier, bei Mr Serrocold. Sie müssen das alles höchst interessant finden.«
    Er antwortete rasch, beinahe zu beflissen: »Ja, ja, es ist interessant.«
    »Und Sie sind Mr Serrocold sicherlich eine große Hilfe.«
    Seine Stirn umwölkte sich. »Ich weiß nicht. Ich bin mir nicht sicher. Was da alles dahintersteckt –«
    Er brach ab. Miss Marple musterte ihn nachdenklich. Ein bedauernswerter kleiner junger Mann in einem ordentlichen dunklen Anzug. Ein junger Mann, den die meisten kein zweites Mal ansehen oder jedenfalls nicht in Erinnerung behalten würden...
    Ein paar Schritte entfernt stand eine Bank, und Miss Marple ging langsam hin und setzte sich. Edgar stand stirnrunzelnd vor ihr.
    »Ich kann mir gut vorstellen«, sagte Miss Marple aufgeräumt, »dass Mr Serrocold sehr große Stücke auf Sie hält.«
    »Ich weiß nicht«, sagte Edgar. »Ich weiß es wirklich nicht.« Er blickte finster und setzte sich fast automatisch neben sie. »Ich bin in einer sehr schwierigen Lage.«
    »Natürlich«, sagte Miss Marple.
    Der junge Mann starrte vor sich hin. »Das ist alles streng vertraulich«, sagte er plötzlich.
    »Natürlich«, wiederholte Miss Marple.
    »Wenn ich meine Rechte...«
    »Ja?«
    »Was soll's, Ihnen kann ich's ruhig sagen – Sie erzählen

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