Fatal Error
hatte: Er musste die Nacht noch lange fortgesetzt haben, nachdem die beiden verschwunden waren.
»Cläre gibt nicht nach«, sagte Guy, während er seinen Computer einschaltete. »Aber sie waren erfreut, als sie von Torsten hörten.«
»Hat er sich mit dir in Verbindung gesetzt?« »Noch nicht. Lass ihm Zeit.«
»Da bin ich gespannt.« Ich suchte die Papiere zusammen, an denen ich arbeitete. »Ich möchte noch einmal über die Kosteneinsparungen mit dir reden.«
Aus trüben Augen blickte er mich an. »Richtig, darüber wollte ich auch mit dir sprechen.«
»Ich habe das Ganze noch mal durchgerechnet, und ...«
»Vergiss die Zahlen, und lass uns über die Strategie reden. Bist du noch immer entschlossen, die europäischen Niederlassungen zu schließen, Journalisten zu entlassen und den Verkauf einzustellen?«
»Ja.«
»Obwohl wir Ninetyminutes genau deshalb gegründet haben?«
»Ja«, sagte ich. »Es gibt keine andere Möglichkeit.«
»Und ich kann dich beim besten Willen nicht umstimmen?«
»Nein.«
»Du bist dir ganz sicher?«
»Ja.«
Guy schwieg. Einen Augenblick sah er unsicher aus, fast traurig. Dann schien er sich zu einem Entschluss durchzuringen.
»Du bist entlassen«, sagte er ruhig.
»Was bin ich?«
»Du bist entlassen«, sagte er etwas lauter.
»Was?« Ich blickte mich um. Niemand hatte es gehört. Das hektische Treiben von Ninetyminutes ging weiter, als wenn nichts passiert wäre. Ich wollte es nicht glauben. »Das kannst du gar nicht.«
»Natürlich kann ich das. Ich bin der leitende Direktor.
Ich treffe die strategischen Entscheidungen. Du hast mir gerade mitgeteilt, dass du auf Maßnahmen bestehst, die meine Strategie zum Scheitern bringen müssen. Du lässt es dir nicht ausreden. Du bist entlassen.«
»Silverman wird nicht einverstanden sein.«
»Aber ja. Wir haben gestern Abend darüber gesprochen.«
»Und er hatte nichts dagegen? Cläre auch nicht?«
Er schüttelte den Kopf. Er hatte mich ausgetrickst. Unglaublich, welche Überzeugungskraft Guy entfalten konnte.
»Wir müssen darüber reden.«
»Das haben wir schon getan.« Vorübergehend wurde seine Miene versöhnlicher. »Bist du bereit, deine Auffassung zu ändern?«
War ich das? Wenn ich dazu bereit war, behielt er mich wahrscheinlich, und wir blieben Freunde.
Aber ich war schon zu weit gegangen. Guy hatte Unrecht. Ich hatte ihm das oft genug gesagt und war felsenfest davon überzeugt. Ich konnte nicht mehr zurück.
Ich schüttelte den Kopf.
»Du bekommst ein Monatsgehalt«, sagte Guy. »Und ich bitte Mel, einen Eilbeschluss des Vorstands aufzusetzen, der dein Ausscheiden zum Inhalt hat. Doch ich würde dir vorschlagen, dass du schon heute gehst. Es hat nicht viel Zweck, dass du hier noch länger rumhängst.«
Er hatte Recht, es hatte wenig Zweck. Nichts wie raus hier. Noch nicht einmal verabschieden wollte ich mich von den anderen. Ich öffnete meinen Aktenkoffer und stopfte meine wenigen persönlichen Habseligkeiten hinein. Dann knallte ich ihn zu und wandte mich zum Ausgang.
Auf dem Weg hinaus kam ich an Ingrids Schreibtisch vorbei.
»David!«, rief sie. Ich verlangsamte meinen Schritt. Sie sprang auf und schloss sich mir an. »David, was hast du?«
»Ich bin entlassen worden.«
»Was bist du?«
»Guy hat mich gerade gefeuert.«
»Das kann er nicht.«
»Er hat es getan.« Ich blickte sie an. Ninetyminutes hatte ich an Guy verloren. Nun wollte ich wissen, ob ich auch Ingrid verloren hatte. »Kommst du mit?«
»Wie meinst du das?«
»Ich möchte wissen, ob du mitkommst. Mit mir.«
»Ich spreche mit Guy«, sagte Ingrid. »Er muss es zurücknehmen. Ihr könnt eure Streitigkeiten sicherlich irgendwie .«
Ich machte auf dem Absatz kehrt und ging zur Tür.
Ich fuhr nach Hause. Am Nachmittag eines Wochentages zu Hause zu sein, war ein merkwürdiges Gefühl. Ich war zornig. Ungeheuer zornig.
Ich widerstand der Versuchung, mich in meiner Wohnung voll laufen zu lassen, und ging stattdessen wieder fort. Ich hielt mich Richtung Kensington Gardens. Ich ging und dachte nach.
Ich erinnerte mich, wie ich Guys Unternehmensplan für Ninetyminutes gelesen und beschlossen hatte, alles aufzugeben und mitzumachen. An den köstlichen Augenblick, als ich bei Gurney Kroheim kündigte. An Guys Begeisterung, als er Gaz überredete, bei uns einzusteigen. Ich erinnerte mich an den ersten Tag in unserem neuen Büro in der Britton Street. Die Aufregung, als wir online gingen. Das Triumphgefühl, als der Erfolg kam. An den Stolz,
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