Fatal Error
ist. Ich weiß nicht, ob Ninetyminutes möglicherweise nur deshalb so lange durchgehalten hat, weil Guy seinen Vater ermordet hat.«
Nachdenklich nippte Ingrid an ihrem Wein. »Vielleicht hast du ja Recht mit Owen, aber Guy?«
»Ich weiß. Das habe ich auch gedacht. Aber vergiss nicht, er ist ein Schauspieler, ein guter noch dazu. Und wenn sein Bruder oder Ninetyminutes in der Klemme stecken, wer weiß, wozu er dann fähig ist?«
»Wahnsinn!« Ingrid schüttelte den Kopf. »Ich kann es einfach nicht glauben.«
»Ich muss Klarheit haben. In Bezug auf Guy. Was für ein Mensch er ist. Ob all das, was ich im letzten Jahr getan habe, die geringste Bedeutung hat.«
»Und was tun wir? Wir können das Ganze ja nicht einfach auf sich beruhen lassen.«
»Du schon«, sagte ich. »Ich würde es dir sogar raten.«
»Ich denke nicht daran«, sagte Ingrid. »Das klären wir zusammen.«
Seit Wochen waren meine Gefühle in Aufruhr: Hoffnung, Verzweiflung, Ärger, Frust. Seit Wochen lebte ich auf Kriegsfuß mit diesen Gefühlen und versuchte, sie unter Kontrolle zu halten, versuchte, Ninetyminutes unter Kontrolle zu halten. Ich hatte diesen Kampf allein ausgefochten und gedacht, ich hätte ihn verloren. Doch jetzt, da ich Ingrid an meiner Seite wusste, keimte die Hoffnung wieder auf, ich könnte ihn doch noch gewinnen. Wir gaben uns gegenseitig Trost, Kraft und, in einer noch unklaren Weise, Hoffnung.
Wir gingen in einem kleinen italienischen Restaurant um die Ecke essen. Wir tranken noch mehr Wein und überlegten, wie wir Ninetyminutes retten und uns ein für alle Mal über Guy Klarheit verschaffen könnten. Doch mit fortschreitendem Abend kamen wir auf andere Dinge zu sprechen, auf uns selbst und auf das Leben außerhalb von Ninetyminutes.
Als wir das Restaurant verließen, hakte sich Ingrid bei mir ein.
»Was dagegen, wenn ich mit zu dir komme?«, fragte sie.
»Nein«, sagte ich. »Der Gedanke gefällt mir. Er gefällt mir sogar sehr.«
Mich weckte eine Hand, die auf meinen Schenkel lag. Es war halb sieben. Ingrid lag neben mir im Bett, und ich war arbeitslos.
Ich drehte mich auf die Seite. Das Sonnenlicht sickerte durch die dünnen Vorhänge meines Schlafzimmers und malte blassgoldene Streifen auf Ingrids Haut. Eindeutig gehörte sie zu den Frauen, die am Morgen danach besser aussehen.
»Guten Morgen«, sagte sie mit trägem Lächeln.
»Guten Morgen.«
Ihre Hand bewegte sich aufwärts.
Eine halbe Stunde später ging ich in die Küche, um Kaffee aufzusetzen. Um diese Zeit stand ich gewöhnlich unter der Dusche. Aber nicht heute.
»Gehst du gleich zu Ninetyminutes?«, fragte ich, als ich mit zwei Kaffeebechern in der Hand ins Schlafzimmer zurückkehrte.
»Das hat keine Eile. In letzter Zeit kommt Guy immer ziemlich spät. Abgesehen davon gefällt es mir hier.« Sie nahm ihren Becher, setzte sich auf. Kaum hatte sie einen Schluck genommen, zog sie eine Grimasse. »Igitt! Ist der scheußlich. Wenn du Wert darauf legst, dass ich dich wieder mal besuche, sorgst du besser für anständigen Kaffee.«
»Was soll das heißen? Das ist anständiger Kaffee.«
»Unsäglich ist der. Ich bin Brasilianerin. Ich weiß, wovon ich rede.«
»Ich hätte lieber Tee kochen sollen«, murmelte ich.
Trotz ihres Murrens nahm Ingrid noch einen Schluck. »Was wirst du heute tun?«
Was ich tun würde? Die Versuchung war groß, meinen ersten Tag der Freiheit von Ninetyminutes mit Ingrid im Bett zu verbringen, aber das ging nicht.
»Zunächst einmal Derek Silverman aufsuchen. Und dann Cläre. Ich muss ihnen klar machen, dass Guy auf dem falschen Weg ist. Dann werde ich noch einmal versuchen, Anne Glazier zu erwischen. Sie wird heute in ihrem Büro zurückerwartet.«
»Ich begleite dich zu Silverman«, sagte Ingrid. »Sobald ich bei Guy gekündigt habe.«
»Danke, ich kann jede Unterstützung gebrauchen.«
»Es wird ziemlich frustrierend werden«, sagte Ingrid.
»Was denn?«
»Die Hände in den Schoß zu legen und zuzuschauen, wie Ninetyminutes den Bach runtergeht.«
»Na ja, ich hoffe noch, dass wir was dagegen unternehmen können. Aber sie werden ohne dich kaum zurechtkommen.«
»Gaz wird es schon machen.«
»Da bin ich mir nicht so sicher.« Gaz würde den Inhalt auf dem Laufenden halten, Ingrids editorische und publizistische Linie würde aber verloren gehen. Vor allem, wenn es notwendig wurde, einzusparen und umzuorganisieren. »Vielleicht solltest du doch nicht kündigen.«
»Wieso denn? Ich habe dir doch erklärt, warum
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