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Fatal Error

Titel: Fatal Error Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Ridpath
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ich hätte es gemerkt.«
    Nachdenklich schlürfte Hoyle seinen Kaffee. »Für mich war Tony Jourdan weit mehr als ein Mandant. Er war ein Freund. Wir haben uns im Studium kennen gelernt. Er war einer der Gründe, warum ich nach Monte Carlo gezogen bin. Im Laufe der Jahre haben wir vieles gemeinsam durchgemacht, Höhen und Tiefen. Ich war sehr betroffen, als er starb. Sehr betroffen.«
    Er setzte seine Tasse ab. »Jetzt muss ich aber wirklich zusehen, dass ich ein Taxi finde.« Mühsam erhob er sich und ließ mich zurück, nachdenklich über meinen kalt gewordenen Kaffee gebeugt.
    Das Geschäft mit Orchestra Ventures schlossen wir in Rekordzeit ab. Orchestra zahlte Tony Jourdans Trust mit vier Millionen Pfund aus, der doppelten Summe der ursprünglichen Investition, und brachte weitere zehn Millionen Pfund ein. Dafür bekam Orchestra siebzig Prozent des Unternehmens, sodass für Management und Mitarbeiter mehr als genug blieb. Natürlich veränderte sich der Vorstand. Orchestra setzte einen neuen Vorsitzenden ein, Derek Silverman, einen schlanken, grauhaarigen Geschäftsmann um die fünfzig, der schon mehrere Millionen Pfund durch ein Management-Buyout verdient hatte, die Übernahme eines Handelsunternehmens durch das eigene Management, eine Transaktion, die einer der Partner von Orchestra finanziert hatte. Wichtiger noch, er war Vorsitzender eines Premier-League-Vereins. Henry gehörte dem Vorstand als Vertreter von Orchestra an, und Patrick Hoyle schied aus.
    Guy schlug Ingrid als dritte Direktorin vor. Mittlerweile war sie aus unserem Team nicht mehr wegzudenken, und Guy und ich lernten ihr Urteil immer mehr zu schätzen. Henry mochte sie, damit war sie im Vorstand. Schwierigkeiten hatte sie nur mit Mel. Zwar gingen sie sehr professionell miteinander um, aber kühl, und sie
    mieden einander nach Möglichkeit.
    Nach Abschluss des Geschäfts und mit zehn Millionen auf der Bank waren wir nicht mehr zu bremsen. Und es gab reichlich Gelegenheit, Geld auszugeben. Für mehr Büroraum: Wir übernahmen das Stockwerk unter uns. Für mehr Mitarbeiter, vor allem Journalisten. Für Werbung. Für das Ankurbeln des Online-Verkaufs. Henry hatte nichts gegen diese Form der Verschwendungssucht. In der Achterbahn der Internet-Bewertungen galt die Regel: Je mehr du für deine Website ausgibst, desto mehr ist das Unternehmen wert. Also lautete die Devise: nicht kleckern, sondern klotzen.
    Es klappte. Im Laufe der Saison stiegen die Besucherzahlen der Website steil an. Im Monat September verzeichneten wir mehr als vierhundert Besucher und fast drei Millionen Page Impressions, also tatsächliche Zugriffe auf einzelne Seiten. Zwar gab es noch andere Fußball-Sites, aber nach und nach jagten wir ihnen ihren Marktanteil ab. Gaz’ Inhalte waren einfach besser. Unsere Site sah besser aus. In der Bedienung war sie schnell, mühelos und abwechslungsreich. Guy begann, ein Netzwerk von Partnerschaften mit allen für uns wichtigen Marktteilnehmern zu knüpfen - von namhaften Suchmaschinen über Provider und Online-Zeitungen bis hin zu Sites mit besonderen Inhalten wie der unseren. Wir schlossen einen Vertrag mit Westbourne, einem der größten Buchmacher im Land, der unseren Besuchern die Möglichkeit zu Online-Fußballwetten eröffnete. Die erfreuten sich fast sofort großer Beliebtheit und brachten sogar Einnahmen.
    Jeden Tag mussten wir Dutzende von Artikeln ins Netz stellen: Nachrichten über Transfers und Verletzungen, Klatsch, Kommentare und, natürlich, Spielberichte. Dazu brauchten wir eine wachsende Zahl von Journalisten, von denen jeder ein vielfältiges Netz von Beziehungen zu freien Mitarbeitern und den Vereinen unterhielt. Wir brachten Fernsehschirme an den Wänden an und, wichtiger noch, installierten Software, die den Journalisten ermöglichte, auf ihren Computern Videos zu sehen und Radiokommentare zu hören.
    Gaz brachte einen Riesenknüller: den Einkauf eines brasilianischen Torjägers durch einen Premier-League-Verein für fünfundzwanzig Millionen Pfund. Der Verein bestritt es, und zwei Tage lang sah es so aus, als wären wir einer Ente aufgesessen. Die Boulevardblätter gossen Hohn und Spott über uns aus, aber Gaz ließ sich nicht ins Bockshorn jagen. Und tatsächlich, kurz darauf wurde die Meldung bestätigt. Später berichtete mir Gaz, seine Quelle sei der vierzehnjährige Sohn eines der Vereinsdirektoren gewesen. Der Junge sei ein begeisterter Fan unserer Site.
    Bei all diesen Aktivitäten blieb kaum Zeit zum Nachdenken.

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