Fatal - Roman
war versucht, ihm die Wahrheit zu sagen, aber sie konnte nicht. »Das ist alles.«
»Bleibst du in der Stadt, oder fährst du weg?«
»Das würde ich lieber für mich behalten. Ich brauche Urlaub, das ist alles.«
Marcelo schürzte die Lippen. »Wirst du mit deinem Artikel rechtzeitig fertig?«
»Ehrlich gesagt, ich kann es nicht versprechen.«
»Wie weit bist du?«
»Ich habe noch nicht damit angefangen.«
»Kann ich deine Notizen sehen?«
»Ich habe sie noch nicht abgeschrieben.«
Marcelo sah sie entgeistert an. Ellen bekam ein schlechtes Gewissen.
»Wie kann ich dir, nur dir allein, freigeben? Wie soll ich diese Sonderbehandlung rechtfertigen?«
»Ich brauche die freien Tage. Wenn du mich deswegen entlassen musst, verstehe ich es.«
»Anstatt mir die Wahrheit zu sagen, riskierst du lieber deinen Rauswurf?«, fragte Marcelo ungläubig. »Das darf doch nicht wahr sein.«
»Ist es aber«, antwortete Ellen, auch wenn sie die Sache so noch nicht gesehen hatte.
»Ist es denn wirklich so wichtig?«
»Wichtiger als alles andere auf der Welt.«
Marcelo sah ihr tief in die Augen. Ellen hielt seinem prüfenden Blick stand.
Schließlich gab er nach. »Okay, du hast gewonnen. Du bekommst nächste Woche frei. Aber das war’s dann auch. Ich werde behaupten, dass du krank bist. Nach deinem Ohnmachtsanfall werden mir das alle abkaufen.«
»Du sagst ja?« Ellen war überrascht. »Und warum?«
»Damit du mich nicht länger für einen Dreckskerl hältst.«
»Das habe ich nie getan.«
Marcelo sah sie misstrauisch an. Nach Sarahs Geschwätz
konnte sie ihn wohl nicht mehr vom Gegenteil überzeugen.
»Was ist mit meinem Artikel?«
»Der kann eine Woche warten. Das Feuer im Yerkes Building ist jetzt wichtiger.«
»Welches Feuer?« Ellen hatte den ganzen Tag mit Will gespielt und keine Nachrichten gehört. Das Yerkes Building war eines der ältesten Häuser in der Stadt.
»Drei Menschen sind bei dem Feuer ums Leben gekommen, Reinigungspersonal. Eine traurige Geschichte. Das Gebäude ist bis auf die Grundmauern abgebrannt. Die Polizei vermutet Brandstiftung.«
»Verstehe ich dich richtig? Du brauchst meinen Artikel jetzt wirklich nicht?«
»Na - nein«, antwortete er kleinlaut.
»Du Ratte!«
»Das meinst du aber jetzt nicht ernst. Du magst mich doch.«
Ellen stieg die Schamesröte ins Gesicht. »Wer hat dir das erzählt?«
»Ich arbeite bei der Zeitung. Schon vergessen?«
Ellen lachte verlegen. »Was weißt du sonst noch?«
»Sag mir, ob es stimmt«, verlangte er mit einem spitzbübischen Blick.
»Erst antwortest du mir.«
»Gut. Alle glauben, du gefällst mir. Und deshalb - so vermuten sie - musst du dir auch keine Sorgen um deinen Job machen.«
Ellen wurde noch verlegener.
»Ich muss gestehen, dass nicht alles aus der Luft gegriffen ist«, sagte er plötzlich ernsthaft und sah ihr freimütig
in die Augen. »Ich würde gern einmal mit dir ausgehen.«
Ellen lächelte.
»Aber nicht deshalb hast du deinen Job behalten. Du hast ihn behalten, weil du eine hervorragende Journalistin bist.«
»Danke. Und was passiert, wenn du mir auch gefällst?«
»Ist es denn so?«, fragte Marcelo grinsend. Ellen traute ihren Ohren nicht. Über was redeten sie hier eigentlich?
»Ja.«
»Das höre ich gern. Aber die Romanze ist zu Ende, bevor sie begonnen hat. Sie würde dir schaden. Sie würde mir schaden. Die Liebe in Zeiten der sexuellen Belästigung am Arbeitsplatz führt zu nichts Gutem - außer vielleicht zu dem hier.« Marcelo beugte sich vor und küsste sie ganz zart. Doch das war es dann auch, denn er sagte: »Einmal und nie wieder.«
»Wie schrecklich«, antwortete Ellen - und sie meinte es genau so.
45
»Mama, bleib hier!« Will hatte die Arme fest um ihr Knie geschlungen und weinte. Sie wollte den ersten Flieger nehmen, ihr Rollkoffer war gepackt und stand bereit. Doch ihr kleiner Sohn versuchte mit allen Mitteln, ihre Abreise zu verhindern.
»Ich kann nicht bleiben, mein Schatz.« Ellen rieb ihm den Rücken. Er schluchzte fürchterlich. »Erinnerst du dich? Wir haben darüber gesprochen. Ich muss weg zum Arbeiten. Aber in vier, fünf Tagen bin ich wieder da.«
»VIER TAGE!« Will brach wieder in Tränen aus; jetzt griff auch Connie ein und legte die Hand auf seine Schulter.
»Will, wir beide, du und ich, wir machen’s uns richtig gemütlich. Ich habe Eis eingekauft. Nach dem Kindergarten lassen wir es richtig krachen. Na, was denkst du?«
»Mama, bleib hier!«
»Jetzt ist es gut, Will.« Ellen
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