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Fatal - Roman

Titel: Fatal - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Blanvalet-Verlag <München>
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wusste aus Erfahrung, dass er sich so schnell nicht beruhigen würde. Also umarmte sie ihn, gab ihm einen letzten Kuss, während sie sich vorsichtig aus der Umklammerung seiner Finger befreite. »Ich muss jetzt weg, mein Schatz. Ich rufe dich heute Abend an. Du wirst sehen, bald bin ich wieder da.«
    »Sag auf Wiedersehen, Will.« Connie hielt ihn bei der Hand. »Auf Wiedersehen, Mama. Bis bald.«
    »Ich hab dich lieb.« Ellen öffnete die Tür und stürzte in die Kälte hinaus.
    Ob alle Mütter ab und zu wie Schwerverbrecher die Flucht ergreifen mussten?

46
    Der Himmel erstrahlte in einem satten Türkisblau, hellgrüne Palmen bewegten sich leise im Wind. Saftiger, mit Akribie geschnittener Rasen, olivfarbene Hecken, dazu
das intensive Rot der Bougainvilleen, das Orange und Gelb der Wandelröschen und das dunkle Pink der Jacaranda-Bäume - das alles hatte allein schon der Flughafen zu bieten. Ellen war in Miami.
    Sie setzte ihre Sonnenbrille auf und fuhr mit offenem Fenster, bis sich die Klimaanlage in dem Leihwagen einschaltete. In ihrem marineblauen Pullover kam sie vor Hitze um. Sie wartete, bis die Ampel das nächste Mal Rot zeigte, und zog ihn aus. Das Thermometer auf dem Armaturenbrett stand auf 35 Grad Celsius. Vom Strand wehte ein Duftcocktail aus Meersalz, starkem Parfüm und Zigarettenrauch herüber. In weniger als einer Stunde würde sie bei den Bravermans sein.
    Sie griff in ihre Handtasche und suchte die Wegbeschreibung heraus, die sie sich gestern Abend aus dem Internet geholt hatte. Wie eine Meeresschildkröte reckte sie ihren Kopf. Die Ausfahrt, die sie nehmen musste, würde bald kommen. Bisher kam sie nicht sehr gut voran, denn auf allen vier Spuren stauten sich die Fahrzeuge - schlimmer als beim abendlichen Berufsverkehr, den sie aus Philadelphia kannte.
    Als der Verkehr das nächste Mal zum Erliegen kam, nutzte sie die Gelegenheit, um ihre Vorgehensweise zu überdenken. Sie musste auf eine günstige Gelegenheit warten, um Timothy Bravermans Geheimnis zu erfahren. Wann diese Gelegenheit kommen würde, war nicht vorherzusehen. Deshalb musste sie sich gut vorbereiten. Es würde schwierig sein, ihr Inkognito zu wahren. Niemand durfte erfahren, warum sie hier war - am wenigsten die Bravermans.
    Sie verließ den Highway und gelangte auf einen Damm,
der über eine Bucht mit bewegter See führte. Viele der Villen, die hier standen, besaßen einen privaten Ankerplatz für ihre Boote. Allmählich wurde der Verkehr weniger, die Wagen aber, die vor ihr herfuhren, wurden größer und teurer. Sie bog erst nach rechts, dann nach links in eine Straße ein. Schließlich stand auf einem grünen Straßenschild: »Surfside Lane«. Hier wohnten die Bravermans.
    Hatte Wills Leben in dieser Straße angefangen?
    Sie fuhr an einem mit Stuck verzierten spanischen Herrenhaus mit rotem Ziegeldach vorbei, an einer modernen Villa mit einer riesigen Glasfront und an einem französischen Château, das wie eine Filmkulisse wirkte. Alle Häuser waren unterschiedlich gebaut, aber etwas hatten sie gemeinsam: ein gelbes Stoffband, das an einer Palme, an einem Zaun oder einem Tor befestigt war.
    Sie hielt verwundert den Wagen an. Die Bänder waren verblasst und zerfleddert - wie bei Ellens Nachbarn, den Shermans. Deren Tochter machte Dienst im Irak. Für sie hatten die Eltern das gelbe Band im Vorgarten aufgehängt. Aber nicht alle diese Familien hier konnten Verwandte im Krieg haben. Ellen ahnte, was dahintersteckte. Sie fuhr an der Hausnummer 826 vorbei und kam zur Nummer 830. Dort wurde ihre Theorie bestätigt.
    HELFEN SIE UNS, UNSEREN SOHN WIEDERZUFINDEN, stand auf einem großen weißen Schild, das mit gelben Bändern geschmückt war. Der dreijährige Timothy war darauf zu sehen, Tigerlilien und Ringelblumen blühten unter der Tafel. Ein Mahnmal für ein Kind, um dessen Rückkehr die Eltern beteten.
    Es schnürte Ellen die Kehle zu. Sie empfand Mitleid und bekam ein schlechtes Gewissen. Der Junge auf der
Tafel - war es Will oder Timothy? - sah sie an. Sein Blick war vertraut - und gleichzeitig fremd.
    Bitte nicht.
    Die Villa der Bravermans hätte das Titelblatt jedes exklusiven Architekturmagazins schmücken können. In der Einfahrt, die mit Muschelsplitter ausgelegt war, stand ein weißer Jaguar. Unversehens tauchten hinter dem Wagen zwei Frauen in Tanktops und kurzen Hosen auf, die Hanteln stemmten. Ellen fuhr langsam weiter, denn sie wollte keinen Verdacht erregen.
    Sie drehte im Viertel ein paar Runden. Ein Haus war schöner

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