Fatal - Roman
das war gegen meine Prinzipien.« Seine Stimme wurde sanfter, aber sein Blick blieb streng. »Aber jetzt weiß ich, was zu tun ist.«
»Ich auch.« Ellen hatte auf dem Rückflug nachgedacht, doch Marcelo hob die Hand.
»Lass mich bitte ausreden. Deshalb bin ich hergekommen. Ich möchte, dass du morgen nicht zur Arbeit kommst.«
»Wie bitte?«
»Ich halte morgen früh eine Besprechung ab, bei der du nicht dabei sein solltest. Ich werde erzählen, was passiert ist. Den Kuss werde ich nicht erwähnen. So verrückt bin ich nun auch wieder nicht.« Er lächelte. »Aber ich werde allen sagen, dass ich gelogen habe. Du hattest eine sehr persönliche Angelegenheit zu erledigen, von der niemand etwas mitbekommen sollte. Das war der Grund dafür, dass ich gelogen habe.«
»Du willst die Wahrheit sagen?«
»Kommt dir das so abwegig vor? Schließlich sind wir Journalisten. Wahrheit ist unser oberstes Gebot.«
»Aber nicht in diesem Fall. Nein.« Ellen durfte das nicht zulassen. Es war Selbstmord.
»Ich werde mich entschuldigen und sagen, dass ich meinen Fehler einsehe.«
»Marcelo, das kannst du nicht machen.« Ellen wusste nicht, wo anfangen. »Damit untergräbst du für alle Zeiten deine Glaubwürdigkeit. Sie reden jetzt schon über dich. Damit gießt du nur Öl ins Feuer. Du wirst dir das nie verzeihen.«
»Journalisten sind intelligente Leute. Sie reden miteinander, es gibt jede Menge Klatsch und Tratsch, aber jeder kann selbst denken. Es gibt keinen anderen Weg.«
»Wenn einer von uns zugeben muss, dass er gelogen hat, dann bin ich das«, sagte Ellen entschieden.
»Wenn ich die Wahrheit sage, wächst bald Gras über die Sache.«
»Im Gegenteil. Sie wird dich ein Leben lang verfolgen. Ich lasse das nicht zu.«
»Du hast nichts zu sagen«, entgegnete Marcelo mit einem traurigen Lächeln. Ob Marcelo es nur für sie tun wollte?
»Sie werden glauben, dass wir miteinander geschlafen haben. Ich bin für den Rest meines Lebens gebrandmarkt. Wenn du mir etwas Gutes tun willst, suspendiere mich vom Dienst.«
»Das meinst du nicht ernst.« Marcelo sah sie entgeistert an.
»Es gibt keine andere Möglichkeit. Eine Angestellte, die ihren Chef anlügt, ist nichts Besonderes. Jeder lügt seinen Boss an.«
»Tatsächlich?« Für Marcelo war das offenbar etwas Neues, was Ellen rührend fand.
»Wenn wir ihnen erzählen, dass ich dich angelogen habe, bestrafst du mich einfach wie eine Schulschwänzerin.«
»Was ist das?«
»Jemand, der sich einen schönen Tag macht, anstatt zu arbeiten. Ich habe sogar einen Sonnenbrand. Der wird sie überzeugen. Andersherum wird eine viel zu große Geschichte daraus, die wir beide nie loswerden.«
Marcelo schürzte die Lippen und betrachtete sie prüfend.
»Eine Angestellte, die ihren Chef anlügt - das ist keine Geschichte. Aber ein Chef, der für eine Angestellte lügt - das ist sogar eine Schlagzeile wert.«
»Ich weiß nicht.« Marcelo strich sich mit den Fingern durchs Haar und murmelte in sich hinein. » Que roubada. Eine beschissene Situation.«
»Marcelo, suspendiere mich ohne Bezahlung vom Dienst.«
»Du bleibst also dabei?«
»Ja. Und zwar für eine Woche.«
Marcelo verzog die Lippen. »Sagen wir für drei Tage.«
»Abgemacht.«
Er sah sie sorgenvoll an. »Durch diese Disziplinarmaßnahme wird es ziemlich gefährlich für dich werden. Dein Job steht auf dem Spiel.«
Ellen wusste das, aber sie schob den Gedanken beiseite. Sie steckten jetzt beide bis zum Hals im Dreck, und sie war schuld daran. Also war es an ihr, sie beide wieder herauszuziehen. »Ich sehe es so: Ich verliere vielleicht meinen Job, aber dafür gewinne ich vielleicht einen guten Freund.«
»Du treibst mich noch in den Wahnsinn.« Marcelo schüttelte den Kopf und stand auf. Auch Ellen hielt es nicht mehr auf ihrem Sessel. Sie näherten sich bis auf ein paar Zentimeter, aber zu einer Umarmung wollte es nicht kommen. Keiner berührte den anderen.
»Das war nur ein Scherz, oder?«, sagte sie. Marcelo drehte sich um, ging zur Tür und sah sie ein letztes Mal traurig lächelnd an.
»Und warum lachen wir nicht?«, fragte er.
Darauf wusste Ellen keine Antwort.
63
Ellen breitete die DNA-Unterlagen auf ihrem Bett aus. Die beiden Papiertüten mit Bills Zigarettenkippen und Carols Limodose hatte sie aus dem Koffer geholt und legte sie neben den Umschlag, der Wills Probe enthielt. Oreo Figaro beobachtete ihr Treiben eher gelangweilt.
Sie setzte sich neben ihn und streichelte seinen Rücken. Das Formular
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