Fatales Vermächtnis
erfahren. Die Angorjaner haben meinen Hausarrest...«
»Schlossarrest«, kam es von Fiorell.
»...was auch immer. Sie haben meinen Arrest verschärft und
lassen niemanden zu mir.«
»Glaub ihm kein Wort. Meine Sehnsucht war weitaus größer«, raunte Fiorell grinsend. Paltena unterdrückte ein Lachen, dann wurde sie ernsthaft. »Fronwar und Arl von Breitstein sind tot, die Söhne haben die Amtsgeschäfte übernommen. Aber es gibt derzeit niemanden, der sich in der Lage sieht, den Zusammenhalt zwischen den Königreichen Ulldarts zu schaffen, wie Ihr es vermögen würdet, Majestät«, berichtete sie. »Die Serusier haben ihre Grenzen geschlossen.«
»Was ist mit Tersion?«
»Es wird von einem kleinen Kontingent Kaiser Farkons gehalten, aber wenn sich Nech und die Nicti dazu entschließen sollten anzugreifen, würde es fallen. Die Verluste lassen sich nicht so leicht verschmerzen.« Paltena holte einige Unterlagen unter ihrer dunklen Kleidung hervor. »Die Truppenverlegungen deuten jedoch darauf hin, dass die Offensive in Kensustria fortgesetzt werden soll. Tersion scheint nicht in Gefahr zu sein. Derzeit.«
»Es ist Herbst. Die Frist läuft ab, die von Simar gesetzt wurde«, murmelte Perdor nachdenklich. »Und die Kensustrianer hatten gedroht, dass sie Ammtara angreifen würden, um es auszulöschen, wenn ihr eigenes Reich untergeht.«
»Sie werden dazu quer durch die Königreiche ziehen müssen.« Fiorell legte jeden Span einzeln in Position, als schaffe er ein Kunstwerk. »Gewähren wir es ihnen, um weitere Tote zu vermeiden?«
»Ammtara und seine Bewohner sind ebenso Ulldarter wie wir, Fiorell. Sie haben uns gegen Govan beigestanden, also können wir sie nicht im Stich lassen.« Perdor ballte die Fäuste. »Mir widerstrebt es, den Nicti freie Hand zu lassen.«
»Das würde bedeuten, den Kensustrianern beizustehen«, überlegte Paltena laut. Fiorell nahm den Ball auf. »Angenommen, man würde ein Heer aufstellen und die Fremden besiegen - wissen wir denn, wie viel
Nachschub die Nicti bekommen? Wäre es nicht eine Entscheidung/ die uns in den Untergang fuhren könnte?«
Perdor schloss die Augen, seine Gedanken schwirrten umher
und fanden keine Lösung. Es würde ihm schon gar nicht gelingen, wenn er in seinem Schloss festsaß, ein Gefangener in einem goldenen Käfig. Argumente rangen in ihm mit Vorbehalten und Zweifeln, aufkeimende Schlüsse und sich auftuende Auswege vergingen zu nichts und rannen ihm davon, ehe er sie zu packen bekam.
Er reckte die Arme nach oben, hob den Kopf und öffnete die Augen. »Ihr Götter! Ulldrael, erwache und steh uns bei! Zeige mir den Weg, der uns befreit und in einen Frieden führt!«, flehte der König verzweifelt. »Wo seid ihr, ihr Götter, wenn euch die Menschen brauchen? Ihr habt uns geschaffen, jetzt kümmert euch! Kümmert euch um eure Kinder!«
»Nicht so laut, Majestät«, zischte Fiorell und sah zur Veranda. »Sonst werden die Wachen...« Aber er sah keinen Schatten vor dem Fenster. »Sie sind weg.« Er blickte Paltena an. »Deine Frettchen leisten wieder ganze Arbeit.«
Sie schüttelte den Kopf. »Ich habe sie nicht dabei.«
Perdor wandte sich auf dem Absatz um und eilte zu den großen Türen. »Wenn das ein Zeichen ist, Ulldrael, lasse ich dir einen Tempel bauen«, versprach er gespannt und öffnete den Ausgang mit einer theatralischen Geste.
Auf der Veranda lagen die angorjanischen Soldaten - schwarze Pfeile ragten aus der Brust, die Geschosse hatten die Panzerung durchschlagen, als sei es Papier. Es gab weder Alarmschreie noch ertönten Rufhörner.
»Fiorell, Paltena«, rief Perdor und konnte die Augen nicht von den Toten abwenden. »Wir haben ein mächtiges Zeichen bekommen.«
Sie eilten zum König, die Spionin näherte sich den Leichen und betrachtete die Pfeilschäfte. Zwischen den Federn machte sie eine Prägung aus. »Eine Sichel«, sagte sie zu Fiorell und Perdor, die sich ins Freie wagten.
»Eine schwarze Sichel«, ergänzte der König nachdenklich.
»Vintera handelt entschlossener als ihr Bruder.« Der Hofnarr sprang aufs steinerne Geländer und schaute sich
weiter um. »Hier drüben liegen noch welche von den armen Kerlen«, ließ er die beiden wissen.
»Treffer in die Köpfe, sie waren auf der Stelle tot.«
Paltena erhob sich. »Majestät, Ihr habt soeben eine Gelegenheit
zur Flucht erhalten! Wir sollten sie nutzen!«
Perdor überlegte lange, bevor er antwortete. »Nech würde Ilfaris in Brand stecken, wenn ich entkomme«, lehnte er ab.
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