Fatales Vermächtnis
ihnen den Auftrag erteilt, jede andere Seele, die sich ihnen näherte, auf der Stelle anzugreifen und zu vernichten. Die Begegnung mit dem jungen Vahidin hatte sie aufgeschreckt.
Zvatochna glaubte, dass er kein Nekromant war, aber dennoch einen anderen Weg gefunden hatte, sich auf die Ebene der Seelen zu begeben. Dass er sie suchte, zeigte ihr sein Vorhaben, Rache für den Tod an seiner Mutter zu nehmen.
Mein kleiner Halbbruder, dachte sie amüsiert. Sobald sie einen Wirt für ihre Seele gefunden hatte, würde sie sich seiner annehmen. Er war sicherlich nicht ganz so gefährlich für sie wie ihr Vater. Unterschätzen, das hatte sie gelernt, durfte man allerdings niemanden. In Gedanken war sie geflogen, ohne zu achten, wohin es sie verschlagen hatte. Das Land unter ihr zeigte fremdartige Häuser und Bauwerke, die Bewohner trugen grüne Haare. Ich bin in Kensustria gelandet, bemerkte sie und hielt an. Dreißig Schritte über dem Boden schwebend, blickte sie sich um, ehe sie herabsank und zwischen den Kensustrianern umherschweifte. Nein, sie fand deren Anblick nicht besonders verlockend, um einen von ihnen auszuwählen. Die menschliche Gestalt gefiel ihr wesentlich besser, also wandte sie sich nach Westen, hielt auf Ilfaris zu und überquerte bald die Grenze.
Zvatochna wunderte sich sehr, als sie im Königreich angekommen war und noch immer Grünhaare sah - aber sie wirkten gänzlich
anders als diejenigen, welche sie zuvor betrachtet hatte. Diese
Aura beherbergte Boshaftigkeit, Gefährlichkeit und Dunkles. Ein
Heerlager voller Potenzial. Das gefiel ihr schon besser.
Sie senkte sich herab und betrachtete die Männer und Frauen von allen Seiten. Zvatochna erkannte ihren Irrtum. Sie hatte Nicti
vor sich, die Doppelgänger der Kensustrianer! Was haben die hier zu suchen? Sie streifte zwischen den Unterkünften umher und
fand Ausrüstungsgegenstände, die den Angolanern zuzurechnen
waren. Doch wo steckten sie?
Zvatochna fand die Erkenntnisse sehr aufregend und geriet schließlich dorthin, wo die Feldküche der Fremden lag.
Sie musste mehrmals hinschauen, bis sie dem traute, was sie erblickte: Leichenteile!
Ausgebeinte Knochen sowie abgezogene schwarze Häute lagen in einer tiefen Kuhle, in einem anderen Zelt hingen unzählige Fleischstücke zum Trocknen an Haken von Balken herab. Zvatochna erkannte ganze Rippenhälften, die menschlichen Ursprungs waren. Köche verarbeiteten die Brocken, es wurde geschnitten und zerteilt.
Bemerkenswert*, dachte Zvatochna. Die Nicti hatten die Angorjaner als Beute entdeckt. Sie ärgerte sich, dass sie durch ihre eigenen Bestrebungen viel zu wenig von den Geschehnissen im Süden des Kontinents mitbekommen hatte. Sie verstand nicht, was hier vorgefallen war. Es gab keinen Anlass, noch zu verweilen.
Sie wollte sich eben auf den Weg machen und weitersuchen, als sie in einem großen Zelt, das sie passierte, inmitten der Nicti eine ganz besondere Aura entdeckte. Etwas stimmte nicht mit ihr; neugierig flog sie näher. Die Aura gehörte zu einer jungen Frau, die keine Nicti war und sich dennoch wie eine kleidete. Sie saß
auf einem geschnitztes Thron aus schwarzem Holz, und das Geschmeide, das sie trug, wies sie als eine reiche Frau aus. Dem Verhalten der Nicti um sie herum nach zu urteilen, musste sie Macht über die Fremden besitzen.
Zvatochna umkreiste die Frau raubtiergleich. Du hast ein nur leidlich hübsches Gesicht, meine Kleine, wisperte sie. Unter normalen Umständen wärst du nichts für
mich, denke ich. Aber deine Statur ist nicht zu verachten, und du hast Anhänger, die mir dienen können. Zvatochna konzentrierte sich auf die Aura, um mehr über sie herauszufinden. Offenbare mir mehr!
Die junge Frau besaß sowohl etwas von den Nicti als auch von gewöhnlichen Menschen, als sei sie ein Mischwesen. Dazu kam, dass der menschliche Anteil schwach und kraftlos war. Zvatochna kannte die flackernde Aura von Sterbenden, und sie war mehr als fasziniert von dem, was sie vorfand. Was und wer immer du bist, sagte sie, du bist eine Besonderheit, die ich nutzen muss. Ein Geschenk an mich, von welchem Gott auch immer. Sie berührte die junge Frau mit ihren Kräften und versuchte, in sie einzudringen, wie sie es bei der Leiche im Totendorf versucht hatte. Es gelang!
Dafür zuckte ihre Wirtin zusammen und sah sich erschrocken um. Sie hatte den ersten Angriff deutlich gespürt. Nun sprang sie auf und gab Befehle, die Nicti zogen ihre Waffen und blickten sich im Zelt um.
Das wird dir
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