Fatales Vermächtnis
mit meinen Scherzen dazu bringe, sich zu Tode zu lachen, war ich wohl nahe dran. Der hier hat den Verstand aus sich heraus gekichert.«
Perdor seufzte und hauchte einen Großteil seiner Sorgen davon. »Wo sind seine Truppen, Mi'in?«
»Wir haben sie umgebracht und in die Flüsse geworfen. Sie werden ins Meer treiben und zu den Fischen gehen.« Der Nicti trug keinerlei Reue in seiner Stimme.
Perdor überlegte. »Dann richtet ihr meinen Dank für die Hilfe aus«, sagte er. »Wie sind die weiteren Pläne, hat sie Euch dazu etwas ausrichten lassen?«
»In der Tat. Denn es bedarf dabei vermutlich Eurer Weitsicht.« Mi'in ließ Nech vom Boden aufheben, und als der Kaiser die Sprache der Nicti vernahm, verstummte er und drückte sich eingeschüchtert an das Geländer. Er schien sich nicht bewusst zu sein,
dass er ein erwachsener Mann war und welche Muskeln er besaß. »Die Verhandlungen mit den Kensustrianern sollen neu begonnen werden. Wir möchten eine Garantie für die Unversehrtheit von Ammtara, dafür ziehen wir uns zurück. Es wird ein paar Auflagen unsererseits geben, und Ihr sollt der Vermittler sein, falls die Frevler sich sperren.« Er ließ sich von einem seiner Begleiter eine Tasche geben. »Darin sind die Forderungen notiert.«
»Nennt sie mir, bitte.« Perdor nahm sie entgegen. »Damit ich schon einen ersten Eindruck habe.«
Paltena horchte aufmerksam.
»Wir werden sämtliche Tempel in dem Gebiet, das wir erobert haben, vernichten, damit die Gottheiten sich neu aus den Ruinen erheben können. Es wird an den Tag bringen, welcher Gott über die strebsamsten Gläubigen verfügt«, erklärte Mi'in mit einem Lächeln, das über den Ernst der Worte hinwegtäuschte. »Die Urlehre Lakastras wird in ganz Kensustria erlaubt sein. Mehr wollen wir nicht.«
Perdor atmete durch. Bittere Schokolade. »Andernfalls ...« »Ihr wisst es, Majestät. Wozu dann noch aussprechen?« »Zu wie vielen Zugeständnissen wird Estra...« »Die Allerhöchste, Majestät. Nennt sie bei ihrem Titel«, bat Mi'in sofort.
»... wird die Allerhöchste bereit sein?« Perdor wusste die Antwort schon, bevor ihm der Nicti geantwortet hatte.
»Zu keinen, Majestät. Wir sind im Vorteil und zeigen die Gnade der Sieger. Ich sende Euch einen Boten, sobald Eure Hilfe notwendig sein sollte. Vielleicht haben wir Glück, und alles ist in wenigen Tagen vorüber.« Mi'in verneigte sich und wandte sich um. »Der Segen der Allerhöchsten sei mit Euch.« Die Nicti rückten ab.
Fiorell sah zu Nech, der sich kindgleich an den Stein drückte und am ganzen Leib zitterte. »Was haben sie mit dir gemacht, kleiner Möchtegern-Kaiser?«
»Seinen Verstand gebrochen«, meinte Paltena. »Es gibt Mittel,
den Verstand eines Menschen zu vernichten. Durch Substanzen.
Durch Schmerzen.«
Perdor teilte ihre Ansicht, doch er glaubte weder an Rauschmittel noch an Folter. Er nahm an, dass Nech etwas gesehen hatte,
was ihn in den Wahnsinn getrieben hatte.
»Majestät, habt Ihr den Kleinen unter den Nicti gesehen?« Fiorell tippte sich mit dem Zeigefinger gegen die Schläfe. »Er war wesentlich schmaler und deutlich kleiner als die anderen Soldaten, die Mi'in begleitet haben. Weswegen?«
»Es war eine Nicti-Frau«, sagte Paltena zu seinem Erstaunen. »Ich habe mir ihren Wuchs so erklärt.«
»Beschreib sie!« Perdor sah seine Diener ins Arbeitszimmer kommen; sie suchten nach ihrem Herrn. Er winkte ihnen zum Zeichen, dass es ihm gut ging. »Eile dich. Sie müssen es nicht vernehmen.«
Und Paltena beschrieb die Form des Gesichts, die Anordnung der Lippen, des Kinns, der Augenbrauen und die Beschaffenheit der Nase. »Außerdem hatte sie dunkelbraunes Haar, das bis auf den Kragen ihrer Rüstung reichte. Ihre Augen fand ich beeindruckend: Sie waren karamellfarben und mit einem dünnen gelben Kreis um die Pupillen. Ist das bei Nicti so?«
Fiorell und Perdor wechselten einen kurzen Blick.
»Estra«, sagte der König. »Sie wollte sehen, wie wir uns verhalten.«
»Hoffentlich so, wie sie es sich erhofft hat«, sprach der Hofnarr und folgte Perdor, der ins Arbeitszimmer zurückkehrte »Sonst haben wir es uns mit der mächtigsten Frau des Kontinents verscherzt.«
Kontinent Ulldart Königreich Serusien, ^ Frühherbst im Jahr 2 Ulldrael des Gerechten (461 n.S.)
Zvatochna hatte so viele Städte durchstreift, dass sie die Hoffnung bald aufgeben wollte, jemals einen Leib zu finden, der ihr genügte.
Das Heer aus Seelen folgte ihr murrend, aber nach wie vor gehorsam. Sie hatte
Weitere Kostenlose Bücher