Fatales Vermächtnis
Ostgrenze zu Kensustria, Frühwinter im Jahr 2 Ulldrael des Gerechten (461 n.S.)
Wie weit ist es noch bis zum Treffpunkt?« Tokaro ritt auf Treskor. Ihm folgten dreißig Ritter der Hohen Schwerter, die unter seinem Befehl standen, sowie sechzig Knappen. An seiner Seite lief ein voll gerüsteter Gän, der sogar die beiden langen Hörner mit Hüllen aus Stahl hatte versehen lassen; an denen wiederum saßen kleine Klingen, die einen Gegner in zwei Teile schnitten. Der Nimmersatte war eine eindrucksvolle Erscheinung und von enormem Vorteil im Kampf gegen die Nicti.
»Es sollte bald so weit sein. Die Kutschstation liegt eine halbe Meile entfernt.« Soscha hatte ihre Maskerade aufrechterhalten und saß auf einem Fuchshengst. Dass sie kein menschliches Wesen mehr war, würden die Ritter früh genug erfahren.
Sie hatte keine Zeit gehabt, sich um die beiden Magier Brahim und Alsa zu kümmern, die gegen ihren Rat von der Universität ins Heerlager gebracht worden waren. Sie bat die Götter um Beistand für sie und dass sie nicht in den Kampf ziehen mussten.
Soscha fand es zu gefährlich, sie an die Front zu bringen. Brahim wandelte sich zwar zum Nekromanten, doch sie teilte Perdors Zuversicht nicht, dass er ihnen gegen die anstürmenden Seelen nützte. Brahim hatte zu Lebzeiten kaum Erfahrung mit Magie gesammelt, und dass er sie nach dem Tod beherrschen konnte, stellte sie infrage. Alsa war nicht mehr als ein Kind, das von den Anblicken, die eine Schlacht bereithielt, gelähmt wurde. Aber Perdor hatte so entschieden.
»Da vorne ist sie.« Soscha zeigte auf das Gehöft, das zwei Meilen von der ilfaritischen-kensustrianischen Grenze entfernt lag.
Tokaro sandte einen Ritter voraus, der sich umschauen sollte. »Wir rasten, nehme ich an, und brechen morgen auf? Oder nutzen wir die Nacht, um uns zu den Nicti zu schleichen?«
»Wir warten, was uns die anderen empfehlen«, meinte sie leichthin.
»Ihr hattet ein großes Geheimnis daraus gemacht, wer sich hinter den weiteren Mitstreitern verbirgt. Mit wem ziehen wir in den Kampf?« Tokaro beobachtete, wie der Ritter sich dem Anwesen näherte und es umritt, danach verschwand er im Torbogen. »Wir sind wohl die Ersten.«
»Eigentlich sollten sie vor uns angekommen sein.« Soscha musste sich beherrschen, um nicht voranzuschweben und selbst nachzuschauen. »Sagen wir, dass es für alles, was bei einem solchen Unterfangen vonnöten ist, die richtigen Männer und Frauen gibt. Die Hohen Schwerter sind unschlagbar zu Pferde und in der Auseinandersetzung Mann gegen Mann. Doch wir benötigen auch Leute, die sich im Umgang mit Pfeil und Bogen verstehen. Oder mit Seelen.« Sie hatte immer leiser geredet und gehofft, dass er sich mit ihrem Nuscheln zufriedengab. Tokaro hatte genau aufgepasst. »Ihr meint vermutlich keine regulären Bogenschützen?« Er sah sie an.
»Und wer außer Lodrik Bardric kennt sich noch mit Seelen aus, wenn wir von Zvatochna einmal absehen?«
»König Perdor hat in der schweren Stunde für die Menschen unserer Heimat alle Verbündeten in Betracht gezogen. Einen Teil der Frage habt Ihr Euch selbst beantwortet.« Soscha lächelte bemüht.
»Bardric und ein Freund von ihm werden uns begleiten.«
»Woher stammen die Bogenschützen?«
Sie lenkte das Pferd näher an seines. »Es ist ein Geheimnis: die
Schwarze Sichel«, raunte sie.
Tokaros Unterkiefer klappte nach unten. »Der Orden der Mörder existiert noch?«
Soscha nickte. »Er steht unter der Leitung von Meister Heträl, soweit wir wissen, und nur deswegen wagt es Perdor überhaupt ein Bündnis mit ihnen einzugehen.«
»Meister Heträl. Ein legendärer Name, von dem ich dachte, er stünde auf einer Gedenktafel.« Tokaro schluckte. »Wie hat er überlebt?«
Sie zuckte mit den Schultern. »Ich habe nicht weiter nachgefragt. König Perdor hat ihm ein Angebot unterbreitet, und die Schwarze Sichel ist darauf eingegangen.«
»Wir reiten Seite an Seite mit Mördern«, murmelte der Ritter, und sie sah ihm an, dass es ihm nicht gefiel. »Angor ist der Gott der Ehrenhaftigkeit, nicht der Schatten und des Verrates und des heimtückischen Pfeils.«
»Verabschiedet Euch von diesen Gedanken. Sie tragen zu Ulldarts Erhalt bei. Ach ja: In Euren Reihen befindet sich ein Nimmersatter. Eine Kreatur, die nach den allgemeinen Vorstellungen vom Gebrannten Gott geschaffen wurde«, erwiderte sie, um seine Vorbehalte auszuhebeln. »Es kommt nicht darauf an, was man ist. Es kommt darauf an, was man tut, Herr Ritter.«
Der
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