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Fatales Vermächtnis

Fatales Vermächtnis

Titel: Fatales Vermächtnis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Markus Heitz
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Augen richteten sich auf die Grube, aus der schwacher Rauch stieg; die Leichen waren so gut wie verbrannt.
    »Machen wir weiter«, murmelte er und ging in sein Zelt, um sich umzuziehen. Betrachtete er es genauer, verdankte nicht nur Norina ihm ihr Leben. Ohne sie wäre er ebenfalls nicht mehr: Soscha hatte ihn verschont, nachdem er ihr von seinem Handel mit Vintera berichtet hatte. Sie wollte sich nicht ankreiden lassen, für den Tod der Kabcara verantwortlich zu sein. Denn Lodrik fürchtete, dass Vintera den Lebensfaden seiner Gemahlin kappte, sobald er verstarb, ohne zuvor seine Schuld bei der Göttin getilgt zu haben, wie er und Vintera es abgemacht hatten. Er hatte sein Leben von ihr zurückerhalten und stand zugleich als Gegenleistung in ihren Diensten. In Leibeigenschaft. Nur sie konnte entscheiden, wann er entlassen war.
    Lodrik hatte eine Sache gelernt: Die Götter waren sogar noch grausamer als die Menschen.
    Kontinent Ulldart, Königreich Ilfaris, Herzogtum Vesoeur, Winter im Jahr I Ulldrael des Gerechten (461 n.S.)

    Amaly-Caraille stand auf dem Turm des Schlösschens, von dem aus sie so gern mit ihrem Gemahl in die Ferne geschaut hatte.
    Dorthin, wo Angor und sein Kaiserreich lagen.
    Ein frischer Wind strich um sie und brachte sie zum Frösteln. Der grüne Mantel, den sie trug, schützte sie kaum vor den Böen, die dünne Flöckchen umher wirbelten. Schnee war in Ilfaris ungewöhnlich. Ihre Füße waren nackt, und die langen blonden Haare hatte sie wie damals, beim ersten Zusammentreffen mit Nech, zu Zöpfen geflochten, die nun zu einem Kranz auf dem Kopf miteinander verschlungen waren.
    Amaly-Caraille sog die frische Luft in die Lungen, dann stellte sie sich auf die Zinnen und sah hinab. Der Sprung würde ihr den Tod bescheren und sie aus dem Leben reißen, das ihr keine Freude mehr bereitete.
    Sie wusste nicht, wohin man ihren Gemahl gebracht hatte. Ihr Vater redete nicht mit ihr, und Pointenue, der sich erfolgreich als Verräter betätigt hatte, erinnerte sich plötzlich nicht mehr an das, was er getan hatte. Auch er hatte sich wie der Rest der ilfaritischen Herrschaften von ihr abgewandt. Sie war durch ihre aufrichtige Liebe zur Ausgestoßenen geworden. Etwas Ungerechteres gab es nicht. Amaly-Caraille sah zu den grauen Schneewolken. »Sei gnädig mit mir, Gerechter«, sagte sie und wischte sich die Tränen aus den Augen. »Ich weiß mir nicht anders zu helfen.« Dann richtete sie den Blick wieder auf den Boden. Ein kleiner Schritt, und ihre Leiden hätten ein Ende. Aber dieser kleine Schritt fiel ihr unendlich schwer.
    In der jungen Frau sträubte sich etwas gegen den Tod, ohne dass sie wusste, warum. Sie hatte keinen Grund weiterzuleben.
    Durch das innere Ringen war ihr entgangen, dass sich drei
    Reiter dem Schlösschen näherten. Erst als sie die Pferde vor dem Eingang zügelten und einer den Kopf hob, um sie anzusprechen, nahm sie die Fremden wahr. Amaly-Caraille sah in ein schwarzes Gesicht, sah eine weiße Rüstung unter dem schwarzen Mantel.
    »Tut das nicht, allerhöchste Kaiserin!«, rief der Angorjaner entsetzt und hob die Arme, als könne er bis zu ihr hinauflangen und sie zurückschieben. »Steigt zu uns herab, und wir bringen Euch nach Angor. In das Kaiserreich, das Euch Euer Gemahl versprochen hat!« Seine Begleiter sicherten in der Zwischenzeit die Umgebung.
    Amaly-Caraille zögerte. »Was ist mit Nech? Wo ist er?«, fragte
    sie aufgeregt.
    »Wir wissen es nicht, aber solange er verschwunden ist, sollt Ihr seinen Anspruch auf den Thron verteidigen«, rief der Angorjaner und verbeugte sich. »Ich bin RasamDoTskan und von heute an Euer Diener. Verfügt über mich und meine Brüder.« Seine Stimme wurde nachdrücklich. »Steigt herab, allerhöchste Kaiserin, und sputet Euch. Unser Schiff kann schon bald entdeckt werden, und dann wäre eine Rückkehr nicht mehr möglich. Es gibt viele Menschen, die Euch kennenlernen wollen.«
    Sie hob den Kopf und sah nach Süden, nach Angor. Ein zaghaftes Lächeln zeigte sich auf ihrem Gesicht.
    Ganz langsam machte sie einen Schritt rückwärts, damit sie nicht durch ein Missgeschick hinabstürzte.
    »Ich werde dein Reich gut verwalten, mein Gemahl«, schwor sie leise. Dann lief Amaly-Caraille nach unten und ließ die Kutsche anspannen.

    Kontinent Ulldart, Königreich Tarpol, Hauptstadt Ulsar, Winter im Jahr 2 Ulldrael des Gerechten (461 n.S.)

    Es regnete in Strömen, und außer ihm waren keine Menschen unterwegs. Das ausklingende Herbstwetter mit seinen

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