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Fatales Vermächtnis

Fatales Vermächtnis

Titel: Fatales Vermächtnis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Markus Heitz
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mutiger Mann.

    Kontinent Ulldart, Inselreich Rogogard, Verbroog, Frühling im Jahr 2 Ulldrael des Gerechten (461 n.S.)

    Torben Rudgass saß in dem Haus, in dem er damals Norina gelassen hatte, während er über das Meer bis nach Kalisstron gesegelt war, um die verschollenen Freunde Stoiko und Waljakov zu suchen. Nun war das Haus sein Refugium.
    Er trug sein weißes Hemd nachlässig offen, die Stiefel waren schon lange nicht mehr geputzt worden, die braune Hose schimmerte speckig. Anstatt den Kamin anzufachen, hatte er sich eine Decke umgelegt und in den Schaukelstuhl gesetzt. In ihm verbrachte Torben sehr viel Zeit, um mit seinen Gedanken ins Reine zu kommen. Zu viele Gefühle machten ihm zu schaffen. Das Vorhaben, mit Lodrik Bardric gemeinsam Zvatochna zu jagen, war durch den überraschenden Alleingang des Nekromanten zunichte gemacht worden. Er hatte niemandem Bescheid gesagt, sondern die Verfolgung auf eigene Faust begonnen. Also hatte Torben beschlossen, mit Sotinos Puaggi nach Verbroog zu
    segeln.
    Als er angelangt war, hatte ihn die Kraft verlassen. Es war anfangs nichts Körperliches gewesen, was ihm zu schaffen gemacht hatte - die Erinnerung hatte sie ihm geraubt. Er schwang im Schaukelstuhl vor und zurück und sah durch die dicken Butzenscheiben, ohne etwas von draußen wahrzunehmen. Fast wünschte er sich, dass er einer gleichen gnädigen Gedächtnislücke anheimfallen würde wie einst Norina. Vielleicht mit genügend Njoss? Er wollte sich nicht ständig an den Tod von Varia erinnern. Nicht ihr Gesicht vor sich sehen, ihr fröhliches Lachen hören und sich nicht an die vielen schönen gemeinsamen Abenteuer erinnern. Doch die Vergangenheit holte ihn ein. Mehrmals am Tag. Und in der Nacht. Vor allem in der Nacht, und wenn er sich nicht mit Branntwein den Verstand betäubt hatte, war es kaum auszuhalten.
    Seine grüngrauen Augen richteten sich auf die Flasche, die auf dem Tisch neben dem dampfenden Tee stand. Er widerstand dem lockenden Angebot, sich einen Grog zuzubereiten. Der Rausch würde ihm keine Lösung bieten.
    Von draußen erklangen die gedämpften Geräusche einer umtriebigen Stadt. Die westliche Hauptinsel des Inselreiches baute nach wie vor an ihren Festungen, die in den Kriegen stark unter Lodriks und Govans Angriffen gelitten hatten. Sollte es jemals wieder zu einer Auseinandersetzung kommen, würde die Festung nicht mehr fallen.
    Doch das alles scherte Torben nicht.
    Seine Gedanken drehten sich seit einer Woche darum, wie er sich möglichst rasch in Vinteras dunkle Arme werfen könnte, ohne dass man viel Aufhebens darum machte. Er galt als Held, sowohl in seiner Heimat als auch im restlichen Ulldart. Helden
    brachten sich nicht um, selbst wenn das Schicksal sie noch so hart strafte. Torben betrachtete die Gewichte neben der Tür, welche die Fischer nutzten, um schwere Netze nach unten sinken zu lassen und Fischschwärme in größeren Tiefen zu erreichen. Das wäre zumindest ein Ausweg: Auf den Meeresgrund tauchen, verschwinden. Die Menschen könnten rätseln, was mit ihm geschehen wäre, und Geschichten erfinden: von einer letzten Fahrt, von Freitod, von einem Unfall...
    Der Gedanke gefiel ihm, sein Weggehen mystisch anzulegen.
    In diesem Augenblick öffnete sich die Tür, und das schmale, spitze Gesicht von Sotinos Puaggi schob sich durch den Spalt.
    »Kalisstra zum Gruße«, sagte er und bemerkte Torbens Blick. Er sah auf die Gewichte. »Habt Ihr vor, fischen zu gehen, Kapitän?«
    »Etwas in der Art«, erwiderte Torben und gab sich Mühe, freundlich zu klingen. Er mochte den Palestaner, der sich im Gegensatz zu seinen Landsmännern gar nicht geckenhaft benahm und mehr eine Freibeuter-als eine Krämerseele besaß. Seine Robe war palestanisch, aber nicht überbordend verziert. Vom Altersunterschied her könnten sie Vater und Sohn sein. »Kommt herein, Commodore.«
    »Sehr gern.« Puaggis dünnes schwarzes Haar war in eine neue Form geschnitten worden, und er sah mit einem Mal männlicher aus. »Wie geht es Euch, Kapitän?« Er hielt seinen Dreispitz in der Linken, zog einen Stuhl heran und setzte sich vor den Freibeuter und Freund. »Man hat Euch schon lange nicht mehr im Freien gesehen.« Er beherrschte sich, um seinen Schrecken nicht allzu offen zu zeigen. Die Falten und Furchen in Torbens Gesicht reichten tief hinab; er hatte sich zudem die langen Bartsträhnen abrasiert, und die Haare sahen fettig und verschuppt aus.
    »Ich denke nach, Commodore.«
    »Wir Ihr es auf der Fahrt von Ulsar

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