Fatales Vermächtnis
er dachte. »Waffenstillstand, höchster Kaiser. Wir halten die Stellungen und warten ab.«
»Was?!«, schrie Nech ihn erbost an. »Wir hatten die Vereinbarung, dass wir erst ablassen, wenn die Kensustrianer vernichtet sind!«
»Ich verstehe Eure Wut, höchster Kaiser. Doch unsere Befehlshaber beschlossen, dass wir neue Verhandlungen eingehen.«
»Dann werde ich mein angorjanisches Kontingent, das in Kensustria steht, anweisen, mit dem Vormarsch fortzufahren«, brauste Nech auf. »Ich habe keinen Waffenstillstand ausgerufen.«
»Davon rate ich Euch ab, Allerhöchster Kaiser von Angor«, warnte Mi'in. »Eure Männer sind tapfere und gute Kämpfer, was ich keinesfalls in Abrede stelle. Gegen die Kensustrianer wären sie ohne unsere Schlagkraft auf verlorenem Posten.« Der Nicti verneigte sich. »Lasst mich erklären, wie es dazu gekommen ist. Ihr werdet erfahren haben, dass Euer Bruder Farkon Nars'anamm ebenso Anspruch auf den Thron Angors erhebt. Wir dachten, dass uns mit Euch der alleinige Herrscher Angors unterstützt, doch Euer Bruder hat Euch aus Tersion vertrieben und deutlich gemacht, dass er wenig von Eurem Vorhaben hält, Kensustria auszulöschen. Für uns ist diese Lage irritierend.«
Nech schäumte und hätte auf der Stelle jemanden umbringen können. »Mein Bruder ist ein Verräter!
Sein Anspruch ist erstunken und erlogen!« Er sah zu seinem Tai-Sal. »Ich frage mich, wie er von meinen Unternehmungen erfahren hat und es wagen konnte, sich gegen mich zu erheben.«
»Ihr seid dazu im richtigen Land, um nachzufragen, höchster Kaiser«, merkte Mi'in an. »Unseres Wissens hat König Perdor seinen besten Spion nach Angor gesandt und ein Treffen mit Eurem Bruder zustande gebracht.«
Nech überlegte blitzschnell. »Ein Bündnis! Der fette König und
mein verräterischer Bruder haben ein Bündnis gegen mich geschmiedet!« Er grinste raubtiergleich, als er erkannte, dass ihm soeben eine Tür aufgestoßen wurde. »Wer hätte gedacht, dass es so einfach wird?«
Mi'in zog die Augenbrauen zusammen. »Was wird einfach?«
Ib'annim hatte längst verstanden, was folgen würde. »Damit gehört Ilfaris zu den unmittelbaren Feinden meines Herrn«, übersetzte er für den Nicti.
»Hiermit erkläre ich Ilfaris den Krieg«, rief Nech begeistert und kreuzte die Arme vor der breiten Brust. »Perdor hat sich mit meinen Feinden verschworen, und das macht ihn zu meinem Feind. Es war sehr unklug von dem feisten Königlein, mich derart herauszufordern.« Er sah zu Mi'in. »Melde den Befehlshabern, dass die Truppen, die untätig in Kensustria herumstehen, ein neues Ziel haben.«
»Ich werde die Order gern Euren Soldaten...«, setzte der Nicti an.
»Nicht nur ihnen. Ich meinte deinen Befehlshaber, Mi'in. Wir sind Verbündete, und da sich Ilfaris gegen mich stellt, erwarte ich Unterstützung von euch.« Nechs Ausdruck wurde lauernd. »Vergesst nicht, wem ihr euer Wissen über die Lage von Kensustria verdankt. Ohne mich könntet ihr keinen Krieg gegen die führen, welche ihr schon so lange vergebens gesucht hattet. Es ist eine Schande, dass ich es überhaupt aussprechen muss, um an die Pflichten der Nicti zu erinnern.«
Mi'in war nicht überrascht. »Fünfzehntausend sind bereits auf dem Weg hierher, aber ich weiß
nicht...«
»Schweig!«, brüllte Nech herrisch. »Du bist ein Bote, du musst nichts wissen.« Er zeigte auf die Reittiere. »Setz dich in den Sattel und überbringe meine Worte. Ich will eure und meine Krieger in wenigen Tagen in ganz Ilfaris sehen! Wenn ich schon Kensustria nicht haben kann, nehme ich mir dieses schone Land.«
Mi'in und seine Begleiter drückten die Stirn in den Staub, er
hoben sich und eilten zu ihren Reittieren, dann jagten sie di
Straße entlang.
Ib'annim verneigte sich vor Nech. 1 Welch ein weiser, taktischer Zug, Allerhöchster Kaiser«, sagte er ergriffen und ehrfürchtig.
»Das nennt sich die Gunst der Stunde, Tai-Sal.« Er wandte sich um und sah Amaly-Caraille in der Tür stehen. »Es ist eine Kunst, sie zu erkennen, und es bedarf Mut, sie zu ergreifen. Bald gehören uns zwei Länder auf Ulldart: Ilfaris und das einstige Kensustria. Ich kann mein Imperium doch noch errichten, und mein Bruder wird in meinen Zangengriff geraten und sich wünschen, niemals den Aufstand gegen mich angezettelt zu haben.« Nech schritt an ihm vorbei und folgte Amaly-Caraille, die ins Schloss trat.
Wenn er ihren Blick richtig gedeutet hatte, gab es bald eine zweite Gunst der Stunde. Und er war ein
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