Fatales Vermächtnis
den Platz?«
»Tauchen«, brabbelte er.
Estra wurde heiß. »Du hast es ins Meer geworfen?«, schrie sie bestürzt auf. Er nickte und schmatzte. »Hafenbecken, weit, weit hinaus.«
Sie versetzte ihm eine kräftige Ohrfeige, die seinen Kopf nach links schleuderte, als sei er von einer Keule und nicht von einer flachen Hand getroffen worden. »Verdammter Idiot!«, keifte sie ihn an.
»Bleib wach und beschreibe mir die Stelle, von der aus du geworfen hast!«
Kichernd kam Gän ihrem Befehl nach, und sie prägte sich seine Worte genau ein. Dennoch war sie alles andere als zufrieden. Die Strömungen im Hafen hielten sich gewiss in Grenzen, aber das Amulettstück
konnte schon abgetrieben sein. Die Suche würde nicht einfach
werden und kostbare Zeit in Anspruch nehmen. Während sie nachdachte, legten sich die merkwürdige Wut
und der Hass, die in sie gefahren waren. Ein Teil des Fluches. Die starken, aufbrausenden Gefühle verliefen wie stürmische Wellen, türmten sich auf und warfen sich gegen das Nächstbeste, was ihnen im Weg stand. Doch solange ihr Wille dem Bann unterworfen war, gab es nichts, was die gefährliche Wildheit aufzuhalten vermochte.
»Ich verlasse dich, Gän«, sagte sie betreten und stand auf. »Richte Tokaro aus, dass es nicht anders geht....« Sie wünschte sich, dass sie ihrem Liebsten die Dinge selbst erklären könnte, aber er würde es nicht verstehen. Sie verstand viele ihrer Taten selbst nicht mehr. Als Estra den Nimmersatten hilflos liegen sah, befiel sie ein Gefühl der Scham und der aufrichtigen Reue; rasch versorgte sie
die Wunde und zerrte ihn ins Gebüsch, ehe sie sich umdrehte und
die Straße zurückrannte, auf der sie gekommen waren.
Lorin näherte sich dem gepanzerten Rücken des Qwor, der mit seinen Pranken kleinere Bäume um mähte. Die Hornplatten hatten die verschiedenen grünen Farben des Waldes angenommen, doch seine Größe machte es unmöglich, sich in dieser Umgebung zu verbergen. Allem Anschein nach handelte es sich um ein Weibchen, und der dicke Bauch versprach eine baldige Steigerung der Qwor-Plage!
Jetzt, wo Lorin das Wesen vor sich sah, glaubte er plötzlich nicht mehr daran, dass sie es nur zu zweit besiegen könnten. Reckte die Qwor ihren Hals, reichte Tokaro niemals mit dem Schwert bis an den Kopf; er würde schon springen müssen, um den Bauch aufzuschlitzen. Lorin verlangsamte seine Schritte. »Bleiche Göttin, was tue ich?«, betete er. Er entschied sich, von dem simplen Vorhaben abzulassen und einen echten Plan auszuarbeiten. Da aber drehte die Kreatur den Kopf, duckte sich an den Boden und sah ihn an.
Das Fauchen verkündete, dass die Qwor den Menschen aus der Nähe betrachten wollte. Wie ein Raubtier wandte sie sich ihm zu und zischelte.
Mit einem Mal war Lorin die Entscheidung abgenommen worden. »Verflucht!« Er rannte los, zurück in die Richtung, aus der er gekommen war. Mal sprang er, mal bückte er sich und hetzte unter den umgestürzten Stämmen hindurch, während hinter ihm die Qwor brüllte. Und sie holte auf!
Lorin musste die Schneise verlassen und sich in den Wald retten, sonst würde sie ihn erwischen, bevor er überhaupt in die Nähe des Verstecks gelangte, in dem Tokaro lauerte. Die Qwor grollte wütend und folgte ihm unbeirrt.
Bäume stürzten rechts und links von Lorin nieder, aufwirbelnder Dreck und fliegende Blätter raubten ihm die Sicht, die Krone einer rotrindigen Eiche verfehlte ihn knapp. Lorin rannte und rannte. Er hielt auf das Gebüsch zu, in dem er seinen Bruder vermutete, hustete und hielt sich die Seite; seine Lunge schmerzte, brannte wie Feuer.
Hinter ihm blitzte es.
Eine Ramme traf seinen Kopf und schleuderte ihn auf einen Baum zu. Von vorn prallte er gegen die borkige Rinde, die kaum Federung bot, und fiel rücklings auf den Waldboden. Links neben seinem Kopf krachte die Pranke der Qwor nieder. Warmer Geifer traf sein Gesicht und erstickte den Hilfeschrei.
Tokaro verfolgte den Wettlauf zwischen dem Qwor und seinem Halbbruder gebannt. So groß wie ein Haus ragte die Kreatur hinter ihm in die Höhe, und der Ritter erkannte auf Anhieb, dass der Abstand nicht ausreichte - der Qwor würde Lorin rasch eingeholt haben.
»Vermaledeites Vieh!« Tokaro bewegte sich durch das Dickicht auf die beiden zu, doch es wurde viel zu schnell viel zu knapp »Angor, ich weiß, er preist dich nicht, doch bewahre sein Leben!«, sprach er ein Stoßgebet und zog die aldoreelische Klinge. »Er hat nichts Unrechtes getan.«
Tokaro spornte
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