Fatales Vermächtnis
sie und beugte sich zu ihm, legte die rechte Hand an seine Schläfe. »Wer bist du wirklich, Vahidin? Du kannst kein Mensch sein.«
Er lächelte Hilfe suchend. »Das stimmt in der Tat, Liebste. Ich bin kein Mensch. Jedenfalls nicht von Grund auf, und auch deswegen werde ich verfolgt.« Vahidin schloss die Augen und lehnte den Kopf gegen ihre Handfläche. »Du gibst mir Geborgenheit, die ich so benötige. Die Männer, die uns begleiten, schützen meinen Körper, doch du bewahrst meine Seele.« Ein kluger Satz, wie er fand. Umso verwunderter war er, als sich ihm ihre Hand entzog.
Kleidung raschelte, und er hörte Schritte, die sich von ihm entfernten. Erst jetzt hob er die Lider und sah Sainaa, die auf den Ausgang zuschritt. »Liebste, wohin...«
»Du benötigst mich nicht, Vahidin. Und was immer du mir sagen wirst, es ist eine Lüge.« Sie blieb stehen und sah über die Schulter hinweg zu ihm. »Die Manen sprachen zu mir in der letzten Nacht und offenbarten mir, wer du wirklich bist. Ich wollte sehen, wie ehrlich du mir gegenüber bist, bevor ich eine Entscheidung fälle.« Sainaa wandte den Kopf geradeaus und ging weiter.
»Bleib!«, rief er gebieterisch und sprang auf.
»Oder du wirst mich umbringen wie die Hajduken? Wie meine Leute? Wie die Dorfbewohner?« Sie setzte ihren Weg unbeirrt fort. »Ich fürchte mich nicht vor dir, Vahidin. Ich gehe hinaus und suche mir ein neues Lager. Vielleicht werde ich Jengorianer finden, die mich aufnehmen. Mit dir möchte ich nichts mehr zu schaffen haben.«
Vahidin eilte ihr nach, packte sie an der Schulter und zwang sie zum Verweilen. Die Augen der Frau zeigten ihm, dass es ihr ernst war. »Bitte, tu das nicht«, bat er sie leise und umfasste den Schwertgriff. Sainaa lächelte über die stumme Drohung. »Ich habe meine
Seele dem Geist des Feuers verschrieben. Die Tochter eines Tsagaan besitzt mehr Macht, als du es für möglich hältst.« Sie ließ die
Hand nicht aus den Augen. »Solltest du mich töten, bin ich dein Tod, Vahidin. Und danach gehört deine Seele mir. Bedenke das.«
Er hielt sie noch immer fest. »Du wirst mich verraten.«
»Nein, das werde ich nicht. Sollte mich jedoch jemand nach dir fragen, werde ich ihm von dir berichten. Von dir und deinen Taten, auch wenn meine Schmach damit wächst. Doch ohne einen Anlass werde ich kein Wort über dich verlieren. Für den Rest meines Lebens.« Sainaa streifte seine Hand von ihrer Schulter. »Ich bete, dass man dich aufhält, wonach auch immer du trachtest.« Sie durchquerte den Flur und ging die Stufen hinab.
Vahidin folgte ihr, hatte den Mund zu einem Ruf geöffnet, doch er schwieg. Er wusste nicht, was er tun sollte. Sainaa hatte ihn verwirrt, denn sie meinte stets, was sie sagte. Weder hatte er Furcht noch Lüge erkennen können, und das hinterließ - Angst? Unbehagen?
Etwas hielt ihn davon ab, die Hand zu heben und sie mit einem magischen Strahl zu vernichten. Die Finger am Waffengriff blieben unbeweglich. Vahidin sah der Tsagaan hinterher, die durch die getrockneten Blutlachen in der Diele lief und zur Tür hinaus-schritt. Die Wachen sahen fragend zu ihm hinauf, doch er gab keinen Befehl, sie aufzuhalten oder zu töten. Er wunderte sich über sich selbst; stattdessen winkte er die Männer zu sich und wies sie an, die Kiste nach unten zu bringen. Er stand weiterhin am Geländer und sah auf die Tür, durch die Sainaa verschwunden war.
Lukaschuk betrat das Haus. »Wir haben Eure Befehle ausgeführt, Hoher Herr«, meldete er, und er brachte den Geruch von brennendem Holz mit sich. »Es ist sichergestellt, dass niemand das Dorf verlassen kann.« Er zeigte durch die Tür auf die Straße. »Ich habe Sainaa gesehen. Sie ist mit einem Rucksack an mir vorbeigelaufen. Ist das alles, was sie mitnehmen möchte?« »Sainaa hat uns verlassen, Lukaschuk.«
Der Hohepriester glaubte, sich verhört zu haben. »Mit welchem Auftrag, wenn ich fragen darf? Haben Euch meine Männer ... «
Vahidin winkte ab. »Sieh* gegangen. Meine Lehrzeit bei ihr ist beendet, und sie kann gehen, wohin immer sie möchte.« »Aber weiß von uns …«, sagte Lukaschuk überrumpelt.
»Was wir getan haben und...«
»Sainaa wird nichts sagen. Wir sind sicher vor ihr« Vahidin kam die Treppe hinab und gesellte sich zu ihm. »Sie weiß weniger als du vermutest. Und auf eine Gräueltat mehr oder weniger, die mir angelastet wird, kommt es mir auch nicht an. Sie weiß nicht wohin wir als Nächstes reiten werden, also betrachte ich sie als
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