Fauler Zauber
Übergabe ist so eigenartig wie eine neunfüßige Elfe. Nicht mal ein direkter Austausch – auch wenn ich zugeben muß, daß Sie an Ort und Stelle nicht viel hätten machen können. Sie konnten nicht weglaufen. Aber Sie haben sie gesehen. Und dann haben sie Sie gehen lassen, ohne Sie zu töten. Obwohl sie wußten, für wen Sie arbeiteten. Und das zu einem Zeitpunkt, an dem zumindest einer von ihnen wußte, daß in den nächsten Stunden ein Mord verübt werden würde.«
»Das kann ich auch nicht erklären, Mr. Garrett. Ich dachte, ich wäre verloren, als ich sah, daß Karl gar nicht da war.«
Es sei denn, du hättest eine Versicherung herausgezaubert, dachte ich. Vielleicht hast du ja nicht das ganze Lösegeld geliefert und dich möglicherweise geweigert, den Rest zu holen, bis Karl in Sicherheit war. Vielleicht wußtest du ja nicht mal, wo der Rest war, oder hast das zumindest behauptet, damit sie dir nicht übel mitspielten. Irgend so was mußt du gemacht haben, sonst wärst du jetzt nicht hier.
Das dachte ich, sagte es aber nicht.
»Wurden irgendwelche Namen erwähnt? Oder konnten Sie sie deutlich genug sehen?«
»Keine Namen. Der Mond schien. Ich habe alle vier gut genug gesehen, daß ich sie wiedererkennen könnte, obwohl die Frau und der Häßliche sich im Hintergrund hielten. Ich kann nachts sehr gut sehen. Vielleicht hatten sie ja keine Ahnung, wie gut ich sie erkennen konnte.«
»Vielleicht. Jetzt spielt das vermutlich sowieso keine Rolle mehr. Bis auf die Frau sind alle tot.«
Sie sah mich nur an. Man hätte sie nicht mal mit einem Vorschlaghammer knacken können.
Ich hatte alles erfahren, was ich in Anwesenheit der Sturmwächterin hören wollte. Gerade überlegte ich, wie ich Zeit gewinnen könnte, als Amber wie auf Stichwort hereinkam.
Raver Styx protestierte nicht und suchte auch keine Ausflüchte. Sie stand einfach auf und ging hinaus.
»In Ihrer Unterkunft habe ich nichts gefunden«, flüsterte Amber. »Sie führt weder Tagebuch noch …«
»Du brauchst nicht hinter meinem Rücken zu flüstern, Amber. Sprich laut.«
Ich nickte.
»Die Buchführung scheint in Ordnung zu sein. Das Silber wurde überall für etwa sieben bis fünfzehn Prozent unter Marktpreis verkauft. Ich weiß es zwar nicht genau, aber unter den Umständen scheint mir das durchaus vernünftig zu sein. Auf jeden Fall ist der Silberpreis so weit gefallen, daß die Käufer jetzt als Verlierer dastehen.«
Typisch Amber. Sie informierte sich trotz allem genauestens über den Edelmetallmarkt.
»Wer hat gekauft?«
Sie reichte mir die Liste.
»Interessant. Der wichtigste Name auf der Liste, Lyman Gameleon, schlägt hier mit einhundertzwanzigtausend und dem höchsten Nachlaß zu Buche. Gameleon ist einer unserer drei Hauptverdächtigen.«
Selbst das konnte Willa Dount nicht erschüttern. »Es war ein Notfall«, meinte sie trocken, »und ich bin dahin gegangen, wo ich genug Gold bekommen konnte. Die Sturmwächterin hat diese Transaktionen kontrolliert und nichts beanstandet.«
Eine Idee. Vielleicht sogar eine Inspiration. »Erinnerst du dich an die Daten und Zeiten dieser Transaktion, Amber?« Sie hatte sie nicht notiert.
»Nein. Soll ich sie besorgen?«
»Das ist nicht nötig«, sagte Willa Dount. »Ich erinnere mich sehr genau.« Sie ratterte jedes einzelne Geschäft herunter, als würde sie von einer Liste ablesen.
Anhand des Timings wurde mir klar, daß die Deals selbst die ganze Kette der Komplikationen ausgelöst hatten. Oder zumindest zu intensiven Problemen geführt hatten.
»Wußte Gameleon, wofür das Gold war?«
»Lord Gameleon, Garrett«, tadelte Willa mich.
»Von mir aus können Sie ihn auch Old Schweinebacke nennen. Beantworten Sie einfach die Frage.«
»Ja. Ich mußte es ihm erzählen, bevor er sich auf den Handel einließ.«
Ich war sehr zufrieden, daß ich schon eine Verbindung zwischen Gameleon und Donni Pell hergestellt hatte. »War das klug?«
»Im nachhinein betrachtet, sicher nicht. Aber damals war Lord Gameleon meine letzte Zuflucht.«
»Kaum. Aber wir wollen nicht darüber streiten. Das wäre für heute abend alles.«
»Heute abend?«
»Ich brauche Sie morgen. In aller Frühe. Wir müssen alles noch einmal durchgehen.«
Verwirrt sah sie mich an, als sie aufstand. Welche Gemeinheit hatte ich denn jetzt vor?
»Holen Sie mir bitte den Baronet, und schicken Sie ihn rein.«
Ich war ungeduldig und gereizt, als endlich die Tür aufging. Was ich sah, machte es nicht besser.
Willa Dount und
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