Fauler Zauber
seinen Nichten zubereitet.
Der Mann war einfach besessen. Mehr kann ich dazu nicht sagen. Er arbeitete schon lange genug für mich und mußte wissen, daß ich nicht gerade eine angemessene Partie für seine weiblichen Familienangehörigen war. Aber er gab nicht auf.
Das Königreich Karenta befindet sich im Kriegszustand. Daher könnte man mit Fug und Recht Wachposten am Umschlaghafen seiner bedeutendsten Stadt erwarten, nur für den Fall, daß irgendein unternehmungslustiger Kommandeur der Venageti auf irgendwelche Ideen kam. Doch es herrschte schon seit meiner Kindheit Krieg, und er schwappte selten über den Cantard und die umliegenden Seen. Die Wachen, die noch wach waren, als ich ging, waren zu sehr in ihr Kartenspiel vertieft, um mich zu kontrollieren. Und da erwarteten unsere Lords aus der Oberstadt vom gemeinen Volk, daß es inbrünstig gegen den Feind zu Felde ziehen würde.
Es ist viel einfacher, sich inbrünstig gegen Raver Styx und ihresgleichen zu wenden. Denn die profitieren immer vom Krieg, ganz gleich, wie die Schlachten ausgehen.
Ich nahm denselben Weg wie Eierkopf und Amiranda. Mittlerweile hatten wir Vollmond. Den Pferden machte die nächtliche Reise nichts aus, nicht mal mit mir an den Zügeln. Dabei haben sich Pferde gegen mich verschworen, seit ich denken kann.
Es war eine zügige, ruhige und ereignislose Fahrt. Ich begegnete nur der Nachtkutsche aus Derry. Sie war eine halbe Stunde zeitiger als vorgesehen und rumpelte mit ihren paar Passagieren und der Post an mir vorbei. Kutscher und Wächter grüßten mich freundlich. Anscheinend machten sie sich wegen der hereinbrechenden Nacht keine großen Sorgen.
Vermutlich hätte ich theoretisch immer die Hand an einem Schwert mit Silberklinge haben sollen. Immerhin war Vollmond. Aber seit ich zu den Marines gegangen war, hatte es so nah an der Stadt keinen Zwischenfall mit einem Werwolf mehr gegeben.
Einmal hatte ich einen Mord aufgedeckt, der so inszeniert worden war, als wäre ein Werwolf der Täter gewesen. Eine verdammt miese Art, dafür zu sorgen, daß dein alter Herr dich nicht mehr aus dem Testament streichen kann.
Ich erreichte die furchtbare Kreuzung ungefähr zur gleichen Zeit, zu der auch Eierkopf angekommen sein mußte. Dann schaute ich mich um. Schließlich war es Vollmond und heller, als es bei ihm gewesen war. Ich sah und hörte niemanden, also lockerte ich das Geschirr der Pferde, sorgte dafür, daß sie nicht weglaufen konnten, kletterte auf den Sitz der Kutsche und machte ein Nickerchen.
Offenbar habe ich einen sehr festen Schlaf. Ich hatte angenommen, daß das erste Sonnenlicht mich wecken würde, aber diese Ehre wurde einem etwa zehnjährigen Jungen zuteil. Er rüttelte meine Schulter. »Alles okay, Mister?«
Ich tastete Hände, Füße und Geldbörse ab. Alles da. Ich war weder ermordet noch verstümmelt oder beraubt worden. »Allerdings, mein Junge. Bis auf einen Anfall verfrühter Senilität.«
Er sah mich merkwürdig an und stellte ein paar kindliche Fragen. Ich antwortete so ernsthaft wie möglich und drehte dann den Spieß um. Er war unterwegs, um irgendjemandem bei der Feldarbeit zu helfen, gestattete mir aber, ihn zum Frühstück einzuladen. Das zeigt nur, wie gesittet es heutzutage in der Gegend um TunFaire zugeht, obwohl wir Städter doch das Land so schlecht machen. Kein Straßenjunge hätte es gewagt, mit einem Fremden mitzugehen. Heutzutage hausen die wirklichen Monster in den Schatten, Kellern und Salons der Städte.
Außerdem erzählte er mir nichts auch nur entfernt Brauchbares.
Ich hielt mich an die Regel, daß es niemals klug ist, selbst einen braven Mann in Versuchung zu bringen. Also versteckte ich mein Gespann in einem Wäldchen gegenüber dem Gebiet, welches ich erkunden wollte. Ich sorgte dafür, daß die Viecher nicht das Vergnügen haben würden, stiften zu gehen, und kehrte dann zu dem Rhombus zurück. Nachdem ich mich vergewissert hatte, daß man von dort aus weder Pferde noch Kutsche sehen konnte, machte ich mich auf den Weg und durchsuchte das Gebüsch.
Ich fand ohne Schwierigkeiten die Stelle, an der man die Toten und Verletzten zwischengelagert hatte. Das Gebüsch war dort zerfetzt und plattgetrampelt. Die Leichen waren zwar anschließend weggeschafft worden, aber um die Blutspuren hatte man sich nicht gekümmert. Jedenfalls die Putzkolonne nicht. Kolonnen von Ameisen und Fliegen dagegen hatten sich darüber hergemacht. Jetzt waren die Blutspuren nur noch ein gräulicher, haariger
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