Fauler Zauber
kräftig zu treten. Er hörte mit und kicherte wahrscheinlich in sich hinein. Warum mußte dieser alte Frachtkahn eigentlich immer recht behalten?
»Wer weiß? Ich besuche deine Mutter und befrage deinen Vater und Domina Dount. Wie sieht's mit deinem Mumm aus? Willst du mitkommen und die schweigende Mitwisserin spielen? Und vielleicht bei der Gelegenheit frische Klamotten mitnehmen?«
»Wieso, stink ich oder was?«
»Was?«
»Vergiß es. Was ist eine schweigende Mitwisserin?«
»Jemand, der einfach nur dasteht und die Leute zwingt, bei der Wahrheit zu bleiben, weil sie wissen, daß er ihre Lügen aufdekken kann.«
»Oh.« Sie runzelte die Stirn. »Ich weiß nicht, ob ich das hinkriege. Mein eigener Vater …«
»Es wäre eine gute Gelegenheit, zu sehen, wie Domina Dount versucht, deine Ratschläge zur Selbstbefruchtung in die Tat umzusetzen.«
Sie stand sofort auf. »In Ordnung.«
»Meine Güte. Diese Begeisterung!«
»Ich will meinem Vater nicht weh tun, Garrett. Und mir ist klar, da du ihn in eine Ecke treiben und ihn Dinge gestehen lassen wirst, die meine Mutter ihm niemals verzeihen kann.«
Ihr Tonfall verriet mir, daß sie kurz davor war, Familiengeheimnisse auszuplaudern. »Wenn ich bestimmte Fragen nicht stelle, muß deine Mutter nichts davon erfahren. So lange die Antworten keine Beziehung zu dem haben …«
»Das weiß ich nicht!« Ihre Stimme klang wütend, aber sie hatte einen flehenden Unterton.
»Sag es mir.«
»Ami … Er muß einfach der Vater des Kindes sein, das sie erwartet hat.«
»Das überrascht mich nicht, Amber. Ich vermute sogar, daß deine Mutter diese Möglichkeit auch in Betracht gezogen hat.«
»Das kann ich mir denken. Aber selbst wenn, wird sie nicht alles verstehen.« Die arme, traurige Amber. Es zehrte wirklich an ihr.
»Es ist ja nicht direkt Inzest.«
»Aber es hätte einer sein können.«
»Was? Wie denn?«
»Ami … Sie war keine freiwillige Partnerin.«
»Er hat sie vergewaltigt?« Ich konnte mir nicht vorstellen, daß Ami das von irgend jemandem akzeptiert hätte.
»Ja. Nein. Nicht so, wie du denkst. Er hat ihr kein Messer an die Kehle gesetzt. Er hat sie einfach … gezwungen ist wohl das richtige Wort. Ich weiß nicht, wie er es angestellt hat. Mir hat sie nie ihr Herz ausgeschüttet, sondern nur Karl. Aber Karl hat es mir erzählt. Es hat angefangen, als sie dreizehn war. Wenn man so jung ist, fällt es einem schwer … Man weiß nicht genau, was man tun soll.«
»Und bei dir hat er es nicht gemacht?«
»Nein. Aber … er hat es versucht. Zweimal. Als ich vierzehn war, fast fünfzehn. Es war hart, Garrett. Vielleicht kann ein Mann das gar nicht verstehen. Das erste Mal bin ich einfach weggelaufen, als ich begriffen habe, was er wollte. Beim zweiten Mal hat er dafür gesorgt, daß ich nicht weglaufen konnte. Ich … er … er hat erst aufgehört, als ich sagte, ich würde es Mutter erzählen.«
»Und?«
»Er ist in Panik geraten. Eine völlig verrückte Panik. Deshalb …«
»Hat er dich bedroht? Körperlich?«
Sie nickte.
»Verstehe.« Ich lehnte mich zurück und dachte nach. Jetzt konnte ich ihre Angst verstehen. Das würde Karl Senior nicht gut bekommen. Er war sowieso Mordverdächtiger Nummer eins, aber ich tappte noch etwas im dunkeln, was sein Motiv anging.
»Sie waren beide dumm, Ami und Vater. Es hätte ihnen doch klar sein müssen, daß es früher oder später dazu kommen würde. Es gibt zuviel Restenergie an einem Ort, wo jemand wie meine Mutter lebt. Früher oder später mußte sie die Zauberkraft eines Verhütungsamuletts stören.«
»Wenn sie es kommen sah …«
»Fang nicht damit an, Garrett. Du weißt nicht, wie es war. Du bist keine Frau und keine Tochter. Und du bist nie in einer so beschissenen Lage gewesen.«
»Du hast recht. Gut, ich mache folgendes: Ich rede mit ihm, ohne daß deine Mutter dabei ist. Wenn es nicht von Bedeutung ist, muß sie es nicht erfahren.«
»Das wird sie nie zulassen.«
»Ich bestehe darauf. Und ich werde außerdem dafür sorgen, daß du dabei bist.«
»Oh! Muß das sein?«
»Ich will ihn so weit in die Enge treiben, daß er sein einziges Heil in der Wahrheit sieht. Er kann nicht lügen, wenn du dabei bist und jederzeit herausplatzen kannst: ›Denk dran, damals, als du …‹«
»Das gefällt mir nicht.«
»Mir auch nicht. Aber man muß das nutzen, was man zur Hand hat.«
»Er könnte das, woran du gerade denkst, nicht wirklich tun.«
»Man hätte es Amiranda bald angesehen. Und deine Mutter
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