Faulspiel (German Edition)
erledigt!“
„Mensch, Marcel, bist du alt geworden, oder liegt es daran, dass ich dich über den Aktenberg so schlecht erkennen kann?“
„Na, zumindest hast du in den letzten Monaten deinen Zynismus nicht verloren. Du weißt, dass an uns allen der Zahn der Zeit nagt und du siehst auch nicht gerade wie zwanzig aus!“
Immer, wenn er Hans Wolf wiedersah, musste er diese Art der Begrüßung über sich ergehen lassen. Dies war ein Ritual und wiederholte sich jetzt schon seit vielen Jahren zeremonienhaft. Außenstehende hatten immer den Eindruck, sie könnten sich auf den Tod nicht ausstehen. Genau das Gegenteil war der Fall. Seit mehr als vierzig Jahren war er nun schon mit Hans befreundet und mochte seinen offenen Zynismus.
„Wird Zeit, dass du endlich wieder aus deinem Zölibat erwachst und dich mit einem Wesen des anderen Geschlechts vereinigst“, grinste ihn Hans Wolf mit einem Lausbubengesicht an.
„Das hält jung! “
„In meinem Alter ist man, glaube ich, weit entfernt von allem Weltlichen; vielleicht sollte ich einmal eine dieser Selbsthilfegruppen besuchen und offen über meine Schüchternheit reden!“
Runge grinste frech zurück.
Sie umarmten sich beide.
„Bin froh, dich zu sehen, was gibt es Neues? Du hast am Telefon gesagt, dass du unglaubliche Informationen und verwertbares Material gefunden hättest!“
Hans Wolf setzte sich wieder hinter seinen Schreibtisch, wobei seine stahlblauen Augen interessiert funkelten.
Runge erzählte ihm ausführlich von seiner Begegnung mit Valerie Sattler, allerdings ohne ihren Namen zu erwähnen. Er schilderte ihm alle Zusammenhänge, von dem Tag an, als er Val kennen gelernt hatte, über die Unterredung mit Kranbaum im Stadion, bis hin zu der letzten Nacht.
Hans Wolf hörte aufmerksam zu und stellte nur ab und zu eine Verständnisfrage.
Als Runge das Ereignis mit Igor an der Hotelrezeption schilderte, horchte Wolf merklich auf.
„Kannst du diesen Igor näher beschreiben und würdest du ihn gegebenenfalls wiedererkennen?“
„Natürlich würde ich den jederzeit wiedererkennen. Dafür könntest du mich mitten in der Nacht wecken!“
Er beschrieb Igor bis ins Detail und ließ auch nicht die Beschreibung seines Begleiters aus.
„Ich denke, wir werden uns gleich einmal ein paar Fotos aus unserer Datei ansehen. Vielleicht finden wir ihn ja wieder. Es gibt einige Hinweise durch Informanten, dass die italienische Mafia bei den meisten Spielmanipulationen und Wettgeschäften mitmischt, aber wir haben noch nichts Konkretes.“
Runge nahm neben Hans Wolf hinter dessen Schreibtisch Platz. Wolf öffnete eine Datei und gab die Daten ein, die er von Runge als Beschreibung für Igor bekommen hatte. Es flimmerten eine Unmenge von Fotografien über den Bildschirm. Die schrägsten Visagen waren dabei, aber auch Gesichter, die völlig nichtssagend aussahen, und denen man nichts Kriminelles zutrauen würde.
Runge sah sich jede Person, die nur annähernd Ähnlichkeit mit Igor hatte, genau an. Plötzlich fand er ihn!
„Da, der ist es, ich bin mir absolut sicher! “ Runges Stimme überschlug sich fast.
„Aha, mal schauen, was wir über den Knaben so alles wissen.
Er ist Kosovo-Albaner und heißt in Wirklichkeit Vladimir Bako; Igor scheint sein Deckname zu sein.
Der ist seit 1992 in Deutschland und hat ein Vorstrafenregister, das so dick ist wie das Frankfurter Telefonbuch, ist also mit Sicherheit kein Waisenknabe.
Verdacht auf jede Menge Kapitalverbrechen, von schwerer Erpressung über Menschenhandel bis hin zu Mord.
Er hat von 94 – 98 wegen versuchten Totschlags und mehrfacher schwerer Körperverletzung eingesessen.
Ihm werden Verbindungen zur italienischen Mafia nachgesagt.
Er hat noch einen Spitznamen; man nennt ihn auch Il Tedesko, das heißt so viel wie ,Der Deutsche‘. Diesen Namen trägt er, weil er optisch wie ein Deutscher aussieht und perfekt die deutsche Sprache spricht.“
„Da haben wir ja einen richtig dicken Fisch an Land gezogen, der Kerl scheint brandgefährlich zu sein!“
Marcel Runge sah seinen Freund fragend an.
„Ja, mit der Ndrangheta ist nicht zu spaßen. Diese Mafia-organisation wurde viele Jahre völlig unterschätzt! Mittlerweile weiß man jede Menge über sie. Im Gegensatz zur Cosa Nostra und der sizilianischen Camorra ist diese Organisation nicht unterwandert. Fast alle Mitglieder im engeren Kreis sind blutsverwandt. Ihr Ursprung und ihr Zentrum liegen in Reggio Calabria und Crotone, das sind Provinzen in Calabrien. Sie
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