Faulspiel (German Edition)
dafür, dass er ihr die Augen geöffnet und ihr damit einen neuen Lebensweg geebnet hatte. Aber bevor sie ihn wiedersehen könnte, musste sie erst für ihre neue Existenz sorgen. Durch das durchdringende Klingeln des Haustelefons wurde sie aus ihren Gedanken gerissen. Der Portier an der Pforte meldete sich und gab ihr zu verstehen, dass der Makler, mit dem sie sich für heute verabredet hatte, in der Lobby der Anlage auf sie wartete.
Sie warf sich ein seidiges Strandtuch um ihre bloßen Schultern und überprüfte nochmals den Sitz ihrer Haare, bevor sie sich auf den Weg zur Lobby machte.
Rodrigo Madras wartete bereits etwas ungeduldig auf sie. Sein Äußeres machte einen schäbigen Eindruck auf Valerie. Seine schlecht sitzende Kaki-Hose wurde gehalten von einem alten und zerschlissenen Gürtel, die Schuhe, in denen seine bloßen Füße steckten, waren offene Sandalen, die auch schon bessere Zeiten gesehen hatten, und an seinem Hemd fehlten bereits einige Knöpfe.
Er hatte einen offenen Gesichtsausdruck, mit ehrlichen Augen, schwarze schulterlange Haare und einen kleinen kugeligen Bauch. Unter dem Arm trug er einen Stapel Unterlagen. Madras hatte ein kleines Maklerbüro in Asuncion und war ihr von dem Barkeeper der kleinen Bar unten am Strand empfohlen worden. Insgesamt machte er zwar einen etwas heruntergekommenen, aber dennoch ehrlichen Eindruck auf Valerie.
„Senorita Sattler?“, sprach er sie mit einem grauenhaften Akzent an.
„Ja, ich bin Valerie Sattler, Senor Madras?“, antwortete Val auf Englisch.
„Ich habe hier schon einmal einige Objekte für Sie zusammengestellt. Ich hoffe, es ist etwas Interessantes dabei!“
Sein Englisch und sein Akzent waren wirklich fürchterlich, aber es passte zu ihm, und Valerie war froh, dass sie sich überhaupt verständigen konnte, denn mit ihren paar Brocken Spanisch würde sie sicherlich nicht weit kommen.
„Das Beste wird sein, wenn Sie sich die Objekte direkt vor Ort ansehen, die Fotos und die Beschreibungen geben nicht sehr viel her.“
Madras sah sie mit seinen flinken Augen ungeduldig an.
„Folgen Sie mir bitte, mein Auto steht unten am Strand!“
Er wieselte vor ihr her und führte sie zum Strand. Es waren nur ein paar Meter, bis sie vor einem Vehikel standen, das er ihr stolz als sein Auto präsentierte. Valerie hatte derartige Fahrzeuge bisher nur auf dem Schrottplatz oder nach einem Verkehrsunfall gesehen. Sie stand vor einem undefinierbaren, zerbeulten, rostigen Etwas, das ohne weiteres irgendwann einmal so etwas wie ein Auto gewesen sein konnte.
Die Frontscheibe fehlte völlig, und der Rahmen des Fensters war gesäumt mit bunten Kügelchen aus Stoff. Auf dem Armaturenbrett prangte ein großes Madonnenabbild, das von der Sonne vergilbt und kaum zu erkennen war. Val nahm auf dem fleckigen und mit Löchern übersäten Beifahrersitz Platz und fragte sich in dem Moment, ob sie ihr Ziel wohl lebend und unbeschadet erreichen würden. Aber dieses Vehikel fuhr tatsächlich! Val konnte ihre Verwunderung darüber kaum verbergen.
„Air condition“, feixte Madras und wies mit dem Zeigefinger auf die fehlende Frontscheibe.
Ein herzliches Lachen kam über Vals Lippen, und sie musste feststellen, dass die unkomplizierte Art des kleinen Venezolanerssie sehr amüsierte. Aus den Lautsprechern im Heck des Gefährtes dröhnte Merengue, eine Musikrichtung, die man auf Margarita überall und zu jeder Tages- und Nachtzeit hörte.
Madras klopfte den Takt auf dem völlig zerfressenen Lenkrad mit und summte die Melodie vor sich hin.
Der Ort, zu dem sie fuhren, nannte sich Juan Griego, ein kleines malerisches Fischerdorf.
Der sympathische Mann lenkte das Vehikel eine kleine Anhöhe, über dem Dorf gelegen, hinauf. Von hier aus hatte man einen sensationellen Ausblick über die Bucht, an der der beschauliche Ort lag.
Auf dem Hügel befand sich eine malerische Hütte, deren Außenputz in einem blauen Pastellton gestrichen war. Vor der Hütte erstreckte sich eine gemütliche Terrasse.
„Dieses Objekt wurde in den letzten zehn Jahren von einem englischen Ehepaar als Restaurant betrieben. Die Inhaber sind vor drei Monaten zurück in ihre Heimat gegangen und haben mich damit beauftragt, das Restaurant zu verkaufen.“
Madras lächelte wissend.
„Die gesamte Einrichtung soll mit verkauft werden. Es gibt auch eine kleine Küche. Viele Touristen kommen nach Juan Griego, weil der Strand dort unten in der Bucht sehr beliebt ist. Die Einheimischen nennen ihn Moskito Coast.
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