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Faunblut

Faunblut

Titel: Faunblut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nina Blazon
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auszulassen.«
    »Tue ich das, Tam?«, erwiderte der Fremde mit einem ironischen Lächeln, aus dem kein Funke Humor sprach.
    Der Nordländer lachte nur und klopfte ihm freundschaftlich auf den Rücken. »Lass sie in Ruhe. Und beeil dich mit dem Gepäck. Wir haben durch das Umladen genug Zeit verloren.«
    Jade hätte einiges darauf verwettet, dass der Diener – denn das schien er zu sein – widersprechen würde, aber er entspannte sich sichtlich und nickte. Fast so, als wäre er erleichtert , dachte sie erstaunt. Hatte er beim Gedanken, sich mit den Flussleuten anzulegen, doch Angst bekommen? Nun, das würde zumindest dafür sprechen, dass er bei aller Arroganz doch noch etwas Verstand besaß.
    Der Nordmann rückte seinen Hut zurecht, ging zu den Hunden und löste die Leinen von der Reling. Die Tiere, die eben noch bedrohlich gewirkt hatten, verwandelten sich in verspielte Welpen, die ihn mit einem freudigen Winseln begrüßten, an ihm hochsprangen und sich darum rissen, seine Hände und sein Gesicht abzulecken. Tam gestattete es ihnen nicht, er nahm die Leinen, nickte den Flussleuten zum Abschied zu und ging von Bord.
    Der Blonde warf Jade einen finsteren Blick zu, der sie wie ein eisiger Funkenschauer traf. »Komm mir bloß nicht mehr in die Quere«, sagte er leise.
    »Komm du ihr nicht mehr in die Quere«, knurrte Martyn. »Du hast uns alle gegen dich, vergiss das nie.«
    Der Fremde lächelte spöttisch, wuchtete sich den schweren Reisesack mühelos über die Schulter und verließ mit großen Schritten das Schiff.
    »So ein Mistkerl«, zischte Martyn zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor. »Er hat schon heute Nacht Ärger gemacht, als eine Kiste beim Verladen angestoßen ist!«
    Jade ließ Martyns Handgelenk los und trat zur Seite. Auf gar keinen Fall wollte sie, dass ihr Freund spürte, dass sie zitterte – ob vor Wut oder vor Schreck, wusste sie selbst nicht zu sagen. Sie ärgerte sich darüber, dass es dem Fremden gelungen war, sie aus der Fassung zu bringen. Und dennoch konnte sie nicht anders, als ihm hinterherzuschauen.
    »Vergiss ihn«, murmelte sie. »Er ist nur ein Idiot.«
    »He, Martyn, deine Kleine ist ja ganz blass vor Schreck«, rief Elanor. »Gib ihr zum Trost einen Kuss, na los!«
    Martyn und Jade warfen ihr einen empörten Blick zu.
    »Küss du sie doch selber, Elanor«, knurrte Martyn.
    Die anderen Flussleute brachen in schallendes Gelächter aus.
    »Oh, so empfindlich?«, spottete Elanor. »Letzten Sommer hattet ihr da noch weniger Hemmungen, wenn ich mich recht erinnere?«
    »Komm«, sagte Jade verärgert und packte ihren Freund am Ärmel.
    *
    Auf der Fähre wurde oft gestritten und gelacht. Abends wurden Karten oder Würfel gespielt und es wurde gesungen, gegessen, geschlafen und gewacht. Aber geliebt, geküsst und über Geheimnisse gesprochen wurde nur selten, und wer dabei für sich sein wollte, der musste sich einen Schlupfwinkel abseits von den anderen suchen. Manchmal hatte Jade den Eindruck, dass die Flussleute nur deshalb so gerne über Liebe und Leidenschaft sprachen, weil sie auf dem Boot so beengt lebten, dass Geheimnisse und Gefühle kaum gedeihen konnten.
    In der Nähe des Leuchtturms gab es einen Platz, der besser geeignet war, sich Dinge zu sagen, die nicht für andere Ohren bestimmt waren. An einer windgeschützten Stelle zwischen den hellen Felsen, die den Hafen umfassten, hatte Martyn im vergangenen Sommer einige leere Fässer abgestellt, die als Sitzgelegenheiten dienten. Dieses halb verborgene Eck auf der Meeresseite war ein beliebter Platz für sehr Unglückliche und sehr Verliebte, aber heute fanden Jade und Martyn den geheimen Winkel verlassen vor.
    Jade ließ sich auf einem der Fässer nieder und zog die Knie an die Brust. Martyn machte nicht den Fehler, sie mit Fragen zu bedrängen – und vielleicht war es das, was ihre Küsse hatte versiegen lassen: Wie konnte man jemanden lieben, der immer das Richtige tat?
    Eine Weile betrachteten sie nur das Mündungsdelta, das am Horizont mit dem Meer verschmolz. Wenn man sich anstrengte, konnte man von hier aus auch die Gefängnisinsel sehen – ein kahler Felsen mit einer wuchtigen quadratischen Festung, die noch kein Gefangener lebendig verlassen hatte. Schließlich holte Jade tief Luft und begann zu erzählen. Diesmal ließ sie nichts aus. Martyn war niemand, der Schwierigkeiten aus dem Weg ging. Und niemand, den Jade vor Kummer beschützen musste, wie sie es bei Jakub tat.
    Er hörte stumm zu und sagte auch lange,

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