Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Faunblut

Faunblut

Titel: Faunblut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nina Blazon
Vom Netzwerk:
Zeigefinger in den Mund und saugte daran, bis sie kein Blut mehr schmeckte.
    Rufe ertönten vom Oberdeck, und Jade sprang zur Stiege und lief, so schnell sie konnte, nach oben. Es regnete nicht mehr, der Himmel hatte aufgeklart und gleißte in einem transparenten Weiß. Jade musste in der plötzlichen Helligkeit blinzeln – und stieß in vollem Lauf gegen jemanden, der mit dem Rücken zu der Luke stand. Vom Aufprall blieb ihr die Luft weg und sie stolperte zur Seite. Ein weicher, schwerer Gegenstand kam dumpf auf dem Boden auf. Etwas Nasses streifte ihre Hand, sie sah wirbelnden Mantelstoff und stieß mit dem Fuß gegen einen prall gefüllten Reisesack, der offenbar zu Boden gefallen war. Bevor sie darüber stürzen konnte, packte Martyn sie am Handgelenk und zog sie mit einem Ruck wieder in die Balance.
    Ein Fluch in einer fremden Sprache traf sie wie eine Ohrfeige. Jade blickte irritiert auf. Direkt vor ihr stand der Mann im Kapuzenmantel. Er überragte sie um einen ganzen Kopf. Sein Gesicht konnte sie im Gegenlicht nicht erkennen.
    »Versuch das kein zweites Mal«, zischte der Fremde und beugte sich hinunter, um nach dem Gepäckstück zu greifen.
    »Dann steh mir nicht im Weg«, antwortete Jade ebenso scharf.
    Der Fremde richtete sich bedrohlich langsam wieder auf. Jade verschränkte die Arme und hob das Kinn. »Was?«, fragte sie herausfordernd.
    Er schob mit einer unwilligen Geste die Kapuze ein Stück nach hinten. Jade hatte nicht erwartet, dass der Mann so jung sein würde – höchstens neunzehn, schätzte sie. Sein Gesicht war von herber, stechender Schönheit. Hellblondes Haar fiel ihm in feinen, wirren Wellen in die Stirn. Der Mund war breit, die ein wenig zu schmalen Lippen scharf gezeichnet, und die Nase hatte den feinen Schwung, den man oft bei Statuengesichtern sah. Nur die Augen … die Augen waren beängstigend. In dem dunklen, beinahe schwarzen Braun konnte sie keine Pupillen erkennen. Etwas flackerte darin auf – vielleicht Irritation, vielleicht auch nur Wut. Der junge Nordländer zog die Brauen zusammen und starrte Jade so überrascht an, als wäre sie ein Gespenst.
    Nun, die Reaktion kannte Jade nur zu gut. Viele Leute, die ihr zum ersten Mal begegneten, reagierten wie dieser Mann, wenn sie ihre Augen sahen. Sie waren von ungewöhnlicher Farbe, ein helles, transparentes Türkis, durch das sich ein grüner Schleier zog. Die Wila hat dich an der Wiege geküsst , hatte Jakub ihr als Kind erzählt.
    Normalerweise lächelten die Leute ihr zu, sobald sie sich an den Anblick gewöhnt hatten, der Mund des Mannes bekam dagegen nur einen harten Zug. Eine dunkle Feindseligkeit glühte in den fast schwarzen Augen auf, die sie frösteln ließ. Einen Wimpernschlag lang erschien es ihr, als würde seine Gestalt alles Helle an sich ziehen und in Schatten verwandeln. Es kostete sie einige Anstrengung, die Fassade von kühler Überlegenheit aufrechtzuerhalten.
    »Was ist jetzt?«, fragte sie. »Entschuldigst du dich? Nur weil ich deine Sprache nicht spreche, heißt es nicht, dass du mich beschimpfen kannst.«
    »Ich habe nichts gesagt, wofür ich mich entschuldigen müsste.« Seine Stimme war leise, aber drohend. »Und jetzt geh mir aus dem Weg.«
    »Pass auf, was du sagst!«, mischte sich Martyn ruhig ein. Er trat vor und stellte sich neben Jade – so dicht, dass sie Schulter an Schulter standen. Jade spürte, dass auch die Flussleute mit ihrer Arbeit innegehalten hatten und zu ihnen herüberblickten. Ein Wort von ihr oder Martyn und Arifs ganze Familie würde sich hinter sie stellen.
    Doch den Blonden schien das nicht im Mindesten zu beeindrucken. Verächtlich zog er den Mundwinkel hoch.
    »Wie mutig«, spottete er. »Im Rudel greifen sogar die räudigsten Hunde einen Bären an, nicht wahr?« Die Luft knisterte, Fäuste wurden in Jackentaschen geballt. Einer der angeleinten Hunde knurrte. Jade spürte, wie Martyns Arm sich anspannte.
    »Wenn sich hier einer wie ein räudiger Hund benimmt, dann bist du das«, erwiderte Martyn mit noch bedrohlicherer Ruhe. Obwohl Jade inzwischen so wütend war, dass ihr Blut kochte, griff sie nach Martyns Handgelenk. »Nicht«, zischte sie ihrem Freund zu. »Lass ihn.«
    »Beruhigt euch, Freunde«, sagte eine sanfte Stimme. Der ältere Nordländer war hinzugetreten und legte dem Blonden die Hand auf die Schulter. »Ich weiß, wir haben eine anstrengende Reise hinter uns und deine Laune ist nicht die beste, aber es gibt keinen Grund, deinen Groll an dem Bootsmädchen

Weitere Kostenlose Bücher