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Faunblut

Faunblut

Titel: Faunblut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nina Blazon
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tückisch. Und sie bringen den Tod. Hast du dem zweiten Echo ins Gesicht gesehen? Nun, vielleicht hättest du das Ungeheuer gesehen! Versprich mir, dass du dich nicht in Gefahr begibst.«
    Jade senkte den Kopf und betrachtete ihr Spiegelbild, das mit den Bewegungen der Köderfische zitterte. Dann eben ohne dich, Martyn , dachte sie. Heute winkte die schwarzhaarige junge Frau im Wasser ihr nicht zu, sondern schüttelte nur warnend den Kopf.
     

Verborgene Kammern
    Es war schon später Nachmittag, als Jade zum Larimar zurückkehrte. In den Stunden auf dem Wasser hatte sie einen Sonnenbrand auf Nase und Wangen bekommen und ihre Augen tränten vom Seewind. Doch das war nicht der einzige Grund, warum sie sich fiebrig und ruhelos fühlte. Vielleicht gibt es mehr als eine Art von ihnen. Den ganzen Nachmittag hatte sie über diesen Satz von Martyn nachgedacht. Und da waren noch weitere Bilder, die sie vor sich sah, sobald sie blinzelte oder die Augen schloss: der ermordete Wächter, der vielleicht noch leben würde, hätte sie in eine andere Richtung gedeutet. Das bösartige schwarze Auge, das sie aus der Kiste heraus angestarrt hatte. Und seltsamerweise ging ihr auch der Fremde nicht aus dem Kopf, von dem sie beim besten Willen nicht sagen konnte, ob er sie abstieß oder faszinierte.
    In der letzten Seitenstraße vor dem Hotel begann sie, schneller zu laufen. Das Öl schwappte im Takt ihrer Schritte gegen die Wände des Kanisters, den Martyn ihr fast bis zum Rand gefüllt hatte. Lilinn machte sich stets darüber lustig, dass Jade auf den letzten Metern zu rennen anfing, aber Jade fühlte sich erst dann von ihrer diffusen Unruhe befreit, wenn sie das Larimar vor sich sah. Irgendwo im hintersten Winkel ihres Bewusstseins fürchtete sie sich stets davor, das Hotel könnte einfach verschwunden sein. Es war ein irrationaler, losgelöster Splitter jener Angst, die sie zu der Zeit durchlitten hatte, als Jakub und sie noch von Unterschlupf zu Unterschlupf zogen, ohne festes Heim, ohne zu wissen, ob sie den nächsten Tag erleben würden.
    Normalerweise war das Erste, was sie sah, der beschädigte Putz neben der Tür und die Töpfe mit Kräutern, die Lilinn auf die Fensterbänke gestellt hatte. Doch heute wimmelte die Straße vor Menschen. Mit Gemüse und Getreidesäcken beladene Karren blockierten die Straße. Lastenträger und Diener der Lady traten sich auf die Füße. Jade blieb stehen und runzelte verwirrt die Stirn. Die Hintertür, so viel konnte sie zwischen den Wagen erkennen, stand sperrangelweit offen, und Träger schleppten gerade Kisten in das Gebäude. So schnell es ging, drängte sich Jade an einer Gruppe von Schaulustigen vorbei und versuchte, vor einem der Lastenträger in das Haus zu schlüpfen.
    »He! Einer nach dem anderen!«, blaffte er sie an. Ein anderer packte sie grob an der Schulter und riss sie zurück. »Stell dich gefälligst hinten an!« Jade überschlug in Gedanken, ob es sich lohnte, Streit anzufangen, doch dann folgte sie der Kolonne in ihr eigenes Heim, als wäre sie ein fremder Gast.
    Noch nie in ihrem Leben hatte sie so viele Menschen im Eingangsraum des Hotels gesehen. Ein Funkenregen erleuchtete den Fahrstuhlschacht, es zischte ohrenbetäubend und der Geruch von erhitztem Metall brannte in ihrer Nase. Neben dem Fahrstuhlgitter lagen neue, ineinander verdrillte Stahlseile und – Jade traute ihren Augen kaum – glänzende Motor- und Steuerungsteile. Jeder Händler auf dem Schwarzmarkt hätte für diese Kostbarkeiten seine rechte Hand hergegeben. Irgendwo im oberen Stockwerk kreischte eine Eisensäge.
    »Jakub?«, brüllte Jade gegen den Lärm an. Sie lief zum Schacht und schaute vorsichtig hinein. Eine fremde Frau mit Schweißerbrille hielt mit ihrer Arbeit inne und sah sie ungehalten an.
    »Was?«, brüllte sie gegen die Säge an, die im Schacht wohl viel lauter klang.
    »Was macht ihr hier?«, fragte Jade.
    »Wonach sieht es wohl aus, hm? Ich repariere dieses Wrack von einem Fahrstuhl.«
    »Hat Jakub das in Auftrag gegeben?«
    Die Frau hustete. »Wer ist Jakub?«, schrie sie und wandte sich kopfschüttelnd wieder ab.
    Jade griff den schweren Kanister mit der anderen Hand und rannte am Fahrstuhl vorbei zum langen Flur und von dort aus zu den Küchenräumen. Sie haben Jakub verhaftet!, hallte es in ihrem Kopf. Irgendjemand hat sich über ihn beschwert. Oder ein Lord hat sich unser Haus genommen. Vergeblich versuchte sie, ihre Panik niederzukämpfen. Sie stürzte in die Küche und wäre beinahe

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