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Faunblut

Faunblut

Titel: Faunblut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nina Blazon
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ihnen – dort, wo der Leichnam wohl für eine Weile abgelegt worden war – glänzte dunkles, bereits angetrocknetes Blut. Jade sprang wieder auf den Boden.
    »Zurück!«, brüllten ein paar Jäger. Erschrockene Schreie wurden laut, dann kam die Menge in Bewegung. »Weitergehen! Verschwindet hier!« Hunde bellten. Es gab ein hektisches Schieben und Drängen, als die Schaulustigen vom Platz vertrieben wurden. Nun, Jade hatte ohnehin genug gesehen. Sie drehte sich um und schob sich weiter. Ihr Schienbein stieß an etwas Hartes. Eine dürre Hand umklammerte den Stock, über den sie beinahe gestolpert wäre. Lumpen streiften ihren Ellenbogen – sie streckte die Arme aus, umfasste vogelzarte Schultern und bewahrte den hundertjährigen Ben vor einem Sturz.
    »Ben! Dich habe ich gesucht.«
    Der Alte hob ihr sein zahnloses, listiges Vogelscheuchengesicht entgegen und lachte. »Den Tod suchst du, Mädchen«, krächzte er. »Kenne ich dich?«
    Hätte es einen Sinn gehabt, hätte Jade ihm antworten können, dass er sie fast jeden Tag traf, doch stattdessen legte sie den Arm um ihn, schubste mit dem Ellenbogen einen Weg frei und achtete nicht auf die Schimpfworte. Es gelang ihr, Ben an den Straßenrand zu bugsieren, wo es ruhiger war. Der Alte zitterte und stützte sich schwer atmend auf seinen Stock. In seiner Jugend mussten seine Augen hellblau und sein Haar blond gewesen sein, aber heute wirkte er farblos wie Asche, mit Augen wie gelblich blaue Kiesel. Plötzlich begann er, wie ein Totenkopf zu grinsen. »Brot?«, fragte er und streckte seine Bettlerhand aus. Immerhin: Das war das Zeichen, dass er irgendwo in der Rumpelkammer seines Gedächtnisses doch noch ihr Bild gefunden hatte. Wahrscheinlich weiß er schon nicht mehr, was er am Brunnenplatz gesehen hat, dachte sie und kramte das Brot hervor. Der Alte schnappte es und ließ es flink in seinen Lumpen verschwinden.
    Jade beugte sich noch tiefer zu ihm hinunter. Einen Versuch war es wert. »Sinahe!« , flüsterte sie ihm zu. »Das hat ein Echo zu mir gesagt. Kennst du die Sprache, Ben? Oder das Wort?«
    Der Alte erstarrte. Langsam hob er den Blick und sah ihr in die Augen. Sein Mund klappte in törichtem Erstaunen auf. Jade leckte sich nervös über die Lippen. Erinnerte er sich an etwas? »Du bist so alt, du hast so viele Sprachen gehört«, flüsterte sie ihm zu. »Versuch, dich zu erinnern, Ben. Sinahe , was bedeutet es? Sinahe …«
    Die dürre Hand schnellte so schnell vor, dass sie nicht reagieren konnte. Mit erstaunlicher Kraft presste sie sich auf ihre Lippen. Die Haut roch nach Staub und ranzigem Leder. Ben schüttelte den Kopf. »Tandraj?« , antwortete er. Er sah sie an, als würde er auf eine Reaktion von ihr warten, ein Erkennen ihrerseits. Sie schüttelte den Kopf und er nahm die Hand von ihrem Mund. »Was ist Tandraj?« , fragte sie.
    »Sprich beides nicht aus. Niemals, hörst du?«, befahl er. »Die Schädel hüten sich selbst. Aus Marmor besteht ihr Palast, stumme Glocken rufen zum Kampf.« Obwohl er Unsinn sprach, wirkte er völlig klar. Jade konnte in ihm den Mann sehen, der er früher gewesen war. »Der erste Lord ist tot. Die Raubvögel saufen sein Blut.«
    Jade schnappte nach Luft. »Der Tote war ein Lord?«, hauchte sie.
    »Einer von zwölf. Hat den Kopf verloren«, kicherte Ben plötzlich und nickte wieder so heftig wie ein Verrückter. »Bleiben nur noch elf, stimmt’s?«
    Jades Mund wurde ganz trocken. »Waren es die Echos? Ben, erinnerst du dich an Echos? Gab es früher in der Stadt schon welche?« Und Ben überraschte sie ein zweites Mal.
    »Sie kehren zurück!«, murmelte er ihr verschwörerisch zu. »Alte Mörder, neues Blut.«
    »Was bedeutet das? Ben? Ben, hörst du mir zu?«
    Doch der Alte hielt sich die Ohren zu und summte eine schnelle Melodie. Jade wollte ihn an den Handgelenken fassen und ihm die Hände von den Ohren ziehen, als jemand von hinten gegen sie stieß. Sie verlor das Gleichgewicht und wich zur Seite. Ehe sie es sich versah, war sie wieder im Strom gefangen. Die Menschen stolperten und fielen, standen auf und flüchteten in die Seitengassen. Und dann sah Jade, warum die Leute plötzlich rannten: Eine Gruppe von Wächtern war aufgetaucht. Es gab ein Handgemenge. Jade fluchte. Einen Moment war sie unaufmerksam gewesen und hatte die Gefahr nicht erkannt. Es sah so aus, als würde es Verhaftungen geben. Durch eine zufällige Schneise sah sie, wie die Marktfrau sich aus Leibeskräften wehrte, doch ein Wächter drehte ihr grob den

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