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Faunblut

Faunblut

Titel: Faunblut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nina Blazon
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Jade. »Kannst du nicht einmal ernst bleiben? Das ist kein Witz! Die Jäger waren bei uns im Haus, und Faun hat irgendetwas in der Kiste, das nicht einmal die Lady in der Nähe haben möchte.«
    »Ich wollte auch keine Witze darüber machen. Aber du siehst aus, als könntest du ein bisschen Aufheiterung gebrauchen. Na schön, zugegeben, ich würde mich an deiner Stelle auch nicht wohlfühlen.«
    Jade dachte an ihren Traum – das gefangene Echo – und an den Schatten im Bankettsaal und schauderte. Eine Weile gingen sie nur schweigend nebeneinanderher. Sie spürte, wie ihr Freund sie von der Seite musterte. Nach der schlaflosen Nacht war ihre Laune so düster wie der Himmel und Martyns Besorgnis wirkte nicht gerade beruhigend.
    »Hör mal«, begann er nach einer Weile. »Vielleicht wäre es besser, du bleibst eine Weile bei uns auf dem Boot. Nur bis die Gäste wieder weg sind.«
    »Jetzt klingst du schon wie Jakub. Hör auf damit. Ich brauche keinen Beschützer.« Sie wollte noch etwas hinzufügen, aber als sie die Gruppe von Jägern entdeckte, verstummte sie. Es war eine ganze Patrouille und sie schien es eilig zu haben. Unruhe breitete sich auf dem Markt aus. Die wenigen Händler, die ihre Waren feilboten, traten nervös von einem Fuß auf den anderen und tuschelten miteinander. Martyn sah den Jägern nach, als sie im Laufschritt in einer Seitenstraße verschwanden. »Neuerdings kontrollieren sie sogar jede Anlegestelle am Hafen«, murmelte er.
    »Es ist bestimmt wegen der Echos«, rutschte es Jade heraus. Martyn warf ihr einen unergründlichen Blick zu.
    »Was?«, fragte Jade gereizt. Jetzt sah Martyn überhaupt nicht mehr so aus, als wäre er zum Scherzen aufgelegt.
    »Wusste ich es doch! Du bist wegen der Echos mit zum Markt gegangen, habe ich recht? Was willst du hier herausfinden?«
    »Ich suche nach Ben. Das ist alles.«
    »Ben? Unser alter Verrückter?«
    »Er mag verrückt sein, aber er ist der älteste Bewohner der Stadt. Er hat fünf Herrscher überlebt – und vielleicht weiß er etwas. Von … früher.«
    »Ben weiß nicht einmal mehr, was das Wort ›früher‹ bedeutet. Sein Gedächtnis ist ein zerrissenes Fischernetz – darin fängt sich schon seit Jahrzehnten nichts mehr.«
    Jade blieb stehen. »Warum erzähle ich dir überhaupt etwas?«, fauchte sie. Martyn hob beschwichtigend die Hand, doch nun konnte er sich ein Lächeln nicht verkneifen. »He, ganz ruhig, Fee. Ich bin nicht der Feind! Du weißt, dass ich recht habe, was Ben betrifft. Noch eine Breitseite in meine Richtung und du darfst diese Muräne zum Zehnthaus schleppen, klar?«
    Jade biss sich auf die Unterlippe. Wunderbar! Jetzt ärgerte sie sich auch noch über sich selbst. Mochten sie und Martyn sich auch viele Wochen lang gestritten haben und die Wunden auch heute noch schmerzen – er war ihr bester Freund. Und ja: Er hatte recht, was Ben betraf. Sie wusste selbst nicht, ob es wirklich einen Sinn hatte, den Alten zu fragen.
    »Entschuldige«, murmelte sie zerknirscht und hakte sich bei Martyn unter. »Ich habe eine wirklich schlechte Nacht hinter mir.«
    »Na, wohl eher eine schlechte Woche.« Da war es wieder: Martyns Sonnenlachen, warm und direkt. Und wie immer brachte er damit auch sie zum Lächeln. Zwei Frauen, die über den Marktplatz liefen, sahen sich nach ihm um, doch wie immer bemerkte Martyn nichts davon.
    »Schon gut«, meinte er versöhnlich. »Hör zu, ich bringe den Tribut zum Zehnthaus, hole mir die Bestätigungsmarke und dann komme ich mit und suche Ben. Wer weiß, vielleicht geschieht ja ein Wunder und du bekommst etwas aus ihm heraus.«
    Jade zögerte. Nichts wäre ihr lieber gewesen, als Martyns Angebot anzunehmen, doch dann schüttelte sie den Kopf. Die Echos waren ihre Angelegenheit. »Ist schon gut. Wir sehen uns morgen, versprochen!«
    Martyns Gesicht war wie der Wolkenhimmel – er konnte keine Regung verbergen. Und Jade tat es leid, als sich nun Enttäuschung darin spiegelte. »In Ordnung«, murmelte er. Inzwischen waren sie in der Nähe des klotzförmigen Baus angekommen, der sich direkt neben dem Südtor des Palasts befand: Das Zehnthaus, wo auch die Flussleute ihren Tribut an die Lady zahlten.
    »Also dann«, sagte Martyn. »Bis morgen.«
    Jade blieb stehen und sah ihm nach. Der Wind wehte sein Haar und die Enden seines roten Stirnbands zur Seite. Wie immer wandte er sich auf halbem Weg noch einmal um und winkte ihr zum Abschied. Und Jade ertappte sich dabei, wie sie ein schlechtes Gewissen bekam, denn

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