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Faunblut

Faunblut

Titel: Faunblut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nina Blazon
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Mal«, mutmaßte auch Jakub. »Vielleicht hat er den Kopf sogar im Auftrag der Lady eingebüßt.«
    »Ich hoffe nur, es gibt keine Hinrichtungen«, wiederholte Lilinn immer wieder wie eine Beschwörung. Normalerweise sprachen sie und Jakub nicht viel miteinander, doch nun fiel Jade auf, wie oft ihr Vater in der Küche saß. Er behandelte Lilinn, als sei sie zerbrechlich, und einmal sah Jade sogar, wie er ihr eine Tasse Tee hinstellte, wofür Lilinn ihm ein erstauntes, dankbares Lächeln schenkte.
    In den Rohren im vierten Stock gurgelte das Wasser, doch Tam ließ sich tagsüber nur selten blicken. Der Fahrstuhl bewegte sich mitten in der Nacht oder früh am Morgen. Faun sah Jade nur ein einziges Mal, als er ihr im Flur entgegenkam. Er wirkte so übernächtigt und niedergeschlagen, dass sie sofort wieder Zweifel an ihrem Verdacht bekam. Warum sollte ein Gast der Lady etwas mit einem Mord an einem Lord zu tun haben? Aber da war immer noch das Bild aus ihrem Traum, das Echo, das in der Kiste gefangen gehalten wurde. Als Faun sie entdeckte, hellte sich seine Miene für einen Moment auf. Jade wurde es ganz warm. War das ein Lächeln gewesen? Doch schon senkte er den Blick und beschleunigte seine Schritte.
    In dieser Nacht kletterte Jade noch einmal aus dem Küchenfenster und versuchte, in den Bankettraum zu sehen. Aber zu ihrer Enttäuschung musste sie feststellen, dass Faun nicht nur die Fensterläden fest verschlossen, sondern auch die Vorhänge zugezogen hatte.
    *
    Es war noch dunkel, als sie frühmorgens aus dem Schlaf gerissen wurde. Das Fenster war halb geöffnet – und das heisere Bellen eines Galgos klang so nah, dass Jade erschrocken auffuhr. Doch das Bellen verstummte, es folgten kein Befehl, keine Stiefelschritte, kein Klopfen an der Tür. Schließlich wagte Jade sich aus dem Bett und schlich in eines der leeren Zimmer auf der Rückseite des Larimar, von wo aus sie die Straße sehen konnte. Im Morgennebel, kaum sichtbar vor einer dunklen Häuserwand, stand eine Gruppe von Jägern. Sie sahen aus, als ob sie auf etwas warteten.
    Und als sie nach rechts blickte, sah sie einen kantigen Lichtfleck am Boden – in der Küche brannte bereits Licht!
    Es war Lilinn und offenbar war sie im Keller gewesen. Auf dem Tisch krochen neben einer triefenden Reuse schwarze Flusskrebse herum. Der fischige Geruch der Krebse vermischte sich mit dem süßen Aroma der reifen Birnen, die in der Küche gelagert waren. Auf dem Herd brodelte Wasser in einem Topf. In ihrer unverletzten Hand hielt Lilinn ein Messer, sie brachte es nie übers Herz, die Flusskrebse lebend in das kochende Wasser zu werfen.
    »Draußen sind Jäger!«
    »Ich weiß«, erwiderte Lilinn. »Kein Grund zur Sorge. Sie sind nur eine Eskorte.«
    »Für Tam?«
    Lilinn nickte.
    »Hast du mit ihm gesprochen? Hat es etwas mit dem Mord zu tun … Oder mit den Echos?«
    Lilinn gab ihr nur einen winzigen, warnenden Wink mit den Augen. Jade fuhr herum. Neben der Tür lehnte Faun. Seelenruhig biss er gerade von einer Birne ab. Heute trug er die schwarze, eng anliegende Kleidung, wie sie bei den Adeligen Mode war. Der schwarze Stehkragen ließ sein Haar noch heller erscheinen. Seine lässige Geste, der Schwung in seiner Haltung – alles wirkte wie ein Gemälde.
    »Wir sollen zum Palast kommen«, sagte er ruhig. »Tam müsste auch gleich hier sein, dann frag ihn doch selbst.« Er sah betont von Jade weg, doch die Missbilligung war deutlich spürbar. Lilinn nahm die ersten fünf Krebse und warf sie in das kochende Wasser. Es zischte und fauchte, als aus den Panzern Luft entwich.
    »Lass es gut sein, Jade«, meinte Lilinn. »Die Angelegenheiten unserer Gäste gehen uns nichts an.« Es war unheimlich, wie freundlich sie Faun zulächelte, während sie die restlichen Krebse mit einem schnellen Stich hinter den Kopfpanzer tötete.
    »Erstaunlich, so etwas aus dem Mund einer Städterin zu hören«, meinte Faun. »Schließlich scheint ihr nichts lieber zu tun, als herumzuspionieren und zu reden.«
    Jades wütender Blick, den er zu spüren schien, amüsierte ihn offenbar, seine Mundwinkel zuckten fast unmerklich.
    Zischend sanken die restlichen Krebse ins Wasser.
    »Ihr habt euch eine schlechte Zeit für euren Besuch ausgesucht«, sagte Jade bissig. »Ob mit oder ohne Eskorte – es ist gerade ziemlich riskant, in der Stadt unterwegs zu sein.«
    Faun wurde ernst. »Keine Zeit ist die richtige. Jedes Land hat seine Kriege.« Das klang schon viel weniger arrogant. »War das Haus hier schon

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