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Faunblut

Faunblut

Titel: Faunblut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nina Blazon
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etwas wissen«, beharrte sie. »Du hast mir gesagt, dass der Tote im Brunnen ein Lord war!«
    Mit einer Geste lud er sie ein, vor einem Sarkophag Platz zu nehmen. Er selbst klappte zusammen wie ein Regenschirm und zog die Knie an die Brust.
    »Habe gesehen, wie die Wächter ihn rausgezogen haben«, erklärte er. »Hatte Rubine am Stiefel, Lord Minem. Diese Stiefel kannte ich. Er hat mich einmal damit getreten. Hier!« Er deutete auf seine Hüfte.
    »Und die Echos haben ihn getötet?«
    »Den zwölften Lord? Oh nein. Das waren die Rebellen.« Er riss die Augen auf und schlug sich die Hand vor den Mund, als wäre er ertappt worden.
    »Schon gut, Ben«, beruhigte sie ihn. »Ich verrate niemanden. Ich muss nur ein paar Sachen erfahren.«
    »Sie holen sich nur wieder, was uns gehört«, sagte er ernst und mit dieser Klarheit, auf die sie schon die ganze Zeit gewartet hatte.
    »Aber du kennst die Rebellen, nicht wahr?« Jades Stimme klang in der Kammer dumpf und fremd. »Wie viele sind es, Ben?«
    »Noch nicht genug«, sagte Ben. »Nie genug für so viel Unrecht.« Im flackernden Licht sah er nicht aus wie ein Verrückter, aber sicher war sie sich nicht.
    »Sie kehren zurück – das hast du zu mir gesagt. Was meinst du damit?«
    Seine Wachsamkeit irritierte sie. »Die … . Herrscher?« Es war eher eine vorsichtige Frage.
    »Meinst du die zwei Königsbrüder von den Inseln?«, fragte Jade.
    Ben nickte erleichtert. »Das Geschlecht der Tandraj .«
    »Aber die Lady hat im Winterkrieg doch alle Tandraj getötet.«
    Bens Zeigefinger schoss in die Höhe. »Nicht alle«, antwortete er mahnend. »Nicht alle. Der Prinz hat überlebt.«
    Jade horchte auf. Ein Prinz! Jakub hatte nie etwas von ihm erzählt. Aber es ergab ein erschreckend logisches Bild. »Das heißt, er konnte fliehen? Führt er etwa die Rebellen an?«
    Ben verzog das Gesicht, als würde die Erinnerung ihm Schmerzen bereiten. »Weiß keiner«, sagte er gepresst. »Weiß keiner, weiß keiner.« Er begann, sich mit dem Oberkörper vor und zurück zu wiegen.
    Was mache ich hier? , dachte Jade. Ich verstecke mich in einer Gruft, um mit einem Verrückten zu sprechen.
    »Woher wisst ihr dann, dass er noch lebt?«, fragte sie ungeduldig.
    »Wegen der Echos«, flüsterte Ben ihr zu. »Nur er kann sie rufen. Die Echos kommen wieder. Also ist der Prinz in der Stadt.«
    Das war eine Neuigkeit! Zum ersten Mal seit dem Tod des Echos, das sie längst »mein Echo« nannte, schien Jade auf ein Bild zu blicken und nicht nur auf Scherben und Fragmente.
    »Im Winter geboren«, sang Ben, »und Rache im Herzen. Er ist wieder da und rüstet sich zum Kampf.«
    Es war schwierig, geduldig zu bleiben und Ben nicht an den Schultern zu packen und zu schütteln.
    »Die Echos«, sagte sie atemlos. »Erzähl mir mehr über sie. Ruft er die Echos zu Hilfe? Töten sie deshalb? Um die Stadt zu erobern? Ben, sieh mich an!«
    Er hörte auf, sich zu wiegen, räusperte sich krächzend und spuckte aus. »Hab ich vergessen«, sagte er und grinste sie an, als hätte er sie eben erst entdeckt. »Kenne ich dich? Passwort?«
    Jetzt riss Jade der Geduldsfaden. »Hör auf zu reden wie ein Verrückter!«, befahl sie grob. »Und verkauf mich nicht für dumm, du bist nicht so vergesslich, wie du zu sein vorgibst. Was weißt du über die Echos?«
    Nicht mehr viel , befürchtete sie, als sie seine ratlose Miene sah. Er schien sich unendlich anstrengen zu müssen. »Sie sind gut«, sagte er schließlich im Brustton der Überzeugung. Jade hätte am liebsten gelacht. Ihr Gefühl hatte sie also nicht getrogen! »Verstehst du ihre Sprache? Sinahe? «
    Ben hob die Schultern und verzog das Gesicht zu einer ratlosen Clownsgrimasse. »Ich erinnere mich nicht!«, sagte er kläglich und schlug mit der Hand gegen seine Schläfe, als würde er verzweifelt an einer verschlossenen Tür klopfen. Er entglitt ihr wie ein davontreibendes Boot, dessen Leine sie nicht mehr halten konnte. Jade fasste ihn an den Schultern und zwang ihn sanft, sie anzusehen. »Gut, alles ist gut, Ben, beruhige dich. Ich muss mit den Rebellen sprechen, hörst du? Ich lasse eine Nachricht hier.«
    Misstrauen ließ ihn mit einem Mal hässlich aussehen. »Mit welchem Recht? Gehörst du zu uns?«, blaffte er.
    In der Gruft war es kühl, aber das, was sie nun frösteln ließ, war eine andere Kälte. Die Kälte, die man spürte, wenn man an den Kerker dachte. Noch kann ich zurück. Zurück zu Jakub, zurück zu meinem Leben zwischen Schwarzmarkt und Gewehrläufen

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