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Faunblut

Faunblut

Titel: Faunblut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nina Blazon
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weit genug entfernt waren, war es zu spät dazu, wegzulaufen. Die Blauhäher – so tief, wie sie flogen, konnten es nur Tams Spione sein – würden sie aus der Luft auch dann entdecken, wenn sie sich zwischen den umwachsenen Gräbern verbarg. Also kauerte sie sich auf Knie und Hände und kroch, so schnell sie konnte, unter eine Wacholderhecke. Dornen rissen an ihrer Jacke, Steine bohrten sich in ihre Knie. Dann hörte sie schon Flügelschlag. Jetzt war sie froh, dass sie die dunkle Seite ihrer Jacke nach außen gedreht hatte, so war sie besser getarnt. Ewige Sekunden verharrte sie, und als nichts passierte, tastete sie sich weiter. Hoffentlich ist es keine Patrouille und hoffentlich haben sie keine Galgos dabei , dachte sie. In diesem Moment stieß sie mit der Hand auf glatten weißen Marmor. Ihre Finger ertasteten blank gescheuerten Stein und eine Rille, die sorgfältig von Moos befreit worden war. Jade verrenkte sich, um nach oben sehen zu können. Im Gegenlicht des gleißenden Himmels, zwischen Blättern und Zweigen, erahnte sie ein Grabzeichen. Zwei Kupferglocken, die von einer grünschwarzen Patina überzogen waren. Eine Gruft! Mit einer Tür, die – den Schleifspuren auf dem sandigen Grund nach zu urteilen – erst vor Kurzem geöffnet worden war.
    Jade tastete an der Rille hoch, bis sie ein verrostetes Schloss fand und ein Schlüsselloch. Sie schob sich auf die Knie und drückte die Klinke herunter. Natürlich ging die Tür nicht auf. Stimmen ertönten in der Nähe, Schritte scheuchten die Mäuse und Katzen aus ihren Verstecken.
    »Ben!«, flüsterte Jade verzweifelt in das Schlüsselloch. »Ben, ich bin es, Jade! Lass mich rein! Wenn du da dri …«
    Ihre Hände trudelten ins Nichts, dort, wo eben noch eine Tür gewesen war, gähnte jähe Schwärze. Dürre Finger packten ihre Handgelenke und rissen sie mit einem Ruck nach vorne. Die Tür schloss sich lautlos, wie sie sich geöffnet hatte. Im nächsten Moment kniete Jade auf feuchtem Kies und fühlte eine zitternde Klinge an der Kehle. Trotz der Kühle brach ihr der Schweiß aus.
    »Was willst du hier?«, blaffte eine heisere Stimme ihr ins Ohr.
    »Ben …«, krächzte Jade. »Nimm das Messer weg!«
    »Dann sag das Passwort«, nuschelte Ben. Jade schnappte sich sein Handgelenk und bog das Messer ohne große Mühe von ihrem Hals weg. Die Waffe fiel auf steinernen Grund.
    »Mörder!«, heulte Ben auf. »Sie werden uns töten!«
    Jade fuhr herum, doch in der Dunkelheit konnte sie schlecht zielen. Ihre Handfläche landete mit voller Wucht auf Bens Nase. Ben kreischte auf. Doch bevor er noch einmal tief Luft holen konnte, hatte Jade ihm die Hand auf den Mund gepresst.
    »Hör auf damit, du Idiot!«, zischte sie. »Ich wollte dich nicht schlagen, sondern dich nur zum Schweigen bringen. Da draußen ist eine Patrouille. Schrei noch lauter und sie werden dich hören.«
    Ben gab seinen Widerstand augenblicklich auf.
    Jade atmete auf. So viel Verstand hatte er also noch. Sie verharrten eine ganze Weile schweigend, doch es sah nicht so aus, als hätte jemand da draußen etwas bemerkt. Schließlich nahm Jade die Hand von Bens Mund.
    »Passwort?«, wisperte er ihr zu.
    »Was?«
    »Passwort!«, beharrte Ben streng.
    Jade stöhnte und setzte sich auf. » Tandraj? «, riet sie. Das war das einzige Wort, das Ben ihr vor einigen Tagen noch zugeflüstert hatte.
    »Falsch«, sagte Ben streng. »Die richtige Parole lautet Elf-der-Lords. Komm mit!«
    Jade fühlte sich von schwächlichen Greisenarmen auf die Beine gezerrt. Feuchte Wände streiften ihre Schulter.
    »Treppe«, wisperte ihr Ben zu. Dann rutschte ihre Schuhsohle schon über einen glatten Steinrand. Nach zehn Stufen, die Ben nur mühsam und schnaufend bewältigte, erschien eine weitere Tür – und dahinter befand sich eine runde Gruftkammer. Ein schwacher Schein beleuchtete Sarkophage, die an die Wand gerückt worden waren wie Möbelstücke. Flaschen und Teller standen darauf. Und eine kleine Lampe thronte in einem Kegel von Licht. Jade konnte es nicht fassen.
    »Das ist ein richtiges Lager«, sagte sie. »Hier wohnst du nicht allein! Ist das … sind sie … seid ihr Aufständische?«
    Ben blinzelte verständnislos.
    »Aufstand?«, murmelte er verwirrt. Jade sank der Mut. Nun, die Gruft wirkte wirklich nicht gerade wie ein Hauptquartier, eher wie der Unterschlupf von einigen Obdachlosen. Aufständische verbrachten ihre Zeit sicher nicht damit, auf Knien und Händen unter Dornenhecken herumzukriechen.
    »Du musst

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