Fay - Das Vermaechtnis des Blutes
sie hatten. Sie glaubte sogar ein leichtes Schimmern der Iris beobachtet zu haben. Ähnlich wie bei einem Edelstein auf dessen hochpolierter Oberfläche ein Sonnenstrahl auftraf, schillerten ihre Augen in einem zarten Rosenquarzfarbton. Die Frau nickte zufrieden und gab ihr das Zugticket zurück.
„Wie herrlich!“, rief sie entzückt aus, doch dann wurde sie mit einem Mal ganz ernst.
„Der Zug fährt vom alten Gleis 13 ab. Setz dich am besten in das vorderste Abteil. Du darfst aber erst aussteigen, wenn du in Fairyhill bist. Erst dann!“, bläute sie ihr ein und kniff die Augen zusammen was ihr einen noch intensiveren Blick verlieh.
„Sind Sie sich sicher?
Wenn ich mich nicht täusche, wurde Gleis 13 doch schon vor Jahren stillgelegt“, wandte Dalila stirnrunzelnd ein. Die Dame am Schalter sah sie eindringlich an.
„Keine Sorge, du kannst mir vertrauen.
Und jetzt beeile dich, Kind. Du bist spät dran!“ Dalila wollte noch protestieren, doch dann verkrampfte sich der Körper der Frau erneut. Ihr Gesicht lief puterrot an. Dabei gab sie grunzende Laute von sich, die einem die Haare zu Berge stehen ließen. Erschrocken ergriff das Mädchen die Flucht und warf noch einmal einen Blick zurück, nur um sicher zu gehen, dass es der Dame hinter der Glasscheibe gut ging. Tatsächlich schien alles in Ordnung zu sein. Es stand sogar bereits ein neuer Kunde da der von ihr bedient wurde. Dalila schüttelte verdutzt den Kopf und beschleunigte ihre Schrittgeschwindigkeit.
*****
Dalila traute ihren Augen kaum sie das Gleis 13 erreichte und sich vor ihr ein eisernes Ungetüm erstreckte. Eine urzeitlich anmutende Dampflokomotive mit prächtigen Wagons, die dem Orientexpress glichen. Langsam fragte sie sich, ob sie womöglich doch noch träumte. Seit sie im Krankenhaus erwacht war, war es so als ob sich etwas in der Welt die sie bisher kannte, verschoben hatte.
Oberflächlich gesehen war alles so geblieben wie es sonst immer gewesen war. Doch bei näherer Betrachtung konnte man kleine Unregelmäßigkeiten erkennen. Die Frau am Informationsschalter, die scheinbar mehr als nur eine Persönlichkeit besaß. Dann die Abfahrt von einem stillgelegten Gleis und nun der Zug der aussah wie einer jener Züge, die in alten Liebesromanen beschrieben wurden.
Der Teenager war sich unschlüssig ob er wirklich einsteigen sollte. Womöglich hatte sich die Dame am Schalter einfach nur geirrt und dieser Zug diente nur zu Touristenzwecken. Der schrille Pfiff einer Trillerpfeife drängte sie jedoch schnellstens eine Entscheidung zu treffen.
„Bitte alles einsteigen!“, rief der Schaffner aus voller Kehle, der sich am hinteren Ende der Wagons befand. Dalila sog unschlüssig an der Innenseite ihrer Backe. Nirgends sah man andere Passagiere die man hätte fragen können, ob dies tatsächlich der Zug nach Fairyhill war. Doch als nun auch ein Signalpfiff von der Lok ertönte, sprang sie kurzerhand durch die Tür die sich sogleich hinter ihr schloss. Nur Sekunden später setzte sich der eiserne Kollos in Bewegung und zog schwerfällig die Wagons hinter sich her.
Im Zugabteil musste Dalila feststellen, dass sie als alleiniger Passagier freie Platzwahl hatte. Mit klopfendem Herzen ließ sich in einen der gut gepolsterten Sitze fallen und seufzte. Erst jetzt spürte sie wie angespannt sie die ganze Zeit gewesen war. Sie rieb sich den Nacken und versuchte sich zu entspannen.
Mittlerweile hatte der Zug die gewünschte Geschwindigkeit erreicht. Je weiter sie sich von der Stadt entfernten, desto dunkler wurden die Wolken am Himmel, die dicke Regentropfen mit sich brachten. Das Gewitter hatte bereits gespenstische Ausmaße angenommen. Es blitzte und donnerte unablässig. Dalila war froh gewesen, dass sie im Trockenen saß.
Während der Fahrt ließ die Aufregung darüber, dass sie bald ihre leibliche Großmutter kennenlernen würde nach und wich der Traurigkeit. Denn wären ihre Eltern nicht umgekommen, hätte sie Daphne vermutlich niemals kennengelernt. So erfreulich das baldige Treffe mit ihr auch war, waren die Umstände die dazu führten mehr als schmerzvoll. Hätte Dalila tauschen können, hätte sie es ohne mit der Wimper zu zucken getan. Lieber hätte sie noch ihre Mutter und ihren Vater bei sich gehabt, statt nun mit ihrer Großmutter vorlieb nehmen zu müssen. Eine fremde Frau zu der sie bisher keinerlei Beziehung pflegte, deren grad der Unbekanntheit mehr wog, als die Blutsverwandtschaft.
Mit schönen Kindheitserinnerungen versuchte
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