Fay - Das Vermaechtnis des Blutes
sie Jo an und ließ seine letzten Worte Revue passieren.
Hatte sie ihn gerade richtig verstanden, oder war das sein Sinn für Humor und nur ein jungenhafter Scherz gewesen?
An seinem Gesicht versuchte sie irgendeine Regung zu erkennen die ihr verriet, dass er sich nur einen Spaß mit ihr erlaubt hatte, doch er verzog keine Miene. Nie und nimmer konnte diese Frau, diese jugendliche Schönheit, ihre Großmutter sein die eigentlich alt und runzelig und mit braunen Altersflecken übersäht sein sollte.
„Aber das ist nicht möglich!
Sie sieht überhaupt nicht…alt aus. Sie sieht aus wie du, Jo. Jung und wunderschön!“ Dalila rang nach Worten die jedoch nicht annähernd zum Ausdruck brachten, wie überaus schön sie die beiden fand. Zudem war es für sie ein Ding der Unmöglichkeit, dass besagte junge Frau weit über 60 Lenze auf dem Buckel haben konnte. Denn ihr gesamtes Aussehen deutete auf den Quell der Jugend hin und hatte nichts mit einem ergrauten, sockenstrickenden Mütterchen gemeinsam.
Da wurde Dalila mit einem Mal ihr anschmachtender Tonfall bewusst. Sie presste sich die Hände auf den Mund und schwor sich künftig ihre Äußerungen zu überdenken, bevor sie sie aussprechen würde. Denn nun wusste Jo, dass sie ihn schön fand und dies war ihr mehr als peinlich.
Er sah ihr tief in die moosgrünen Augen. Ein verschmitztes Lächeln umspielte seine Lippen. Das war zu viel für den Teenager. Ihr Herz begann zu pumpen, als sie es das eines Rennpferdes. Es trommelte dumpf und unaufhaltsam in ihrer Brust. Nur langsam fand Dalila die Kraft sich seinen hypnotischen Augen zu entziehen. Denn wann immer Jo Blickkontakt mit ihr aufbaute, beschleunigte sich ihr Puls und brachte ihr Blut zum Brodeln.
Doch Der Ärger darüber, dass sie fast immer redete wie ihr der Mund gewachsen war, verflog in dem Moment in dem sie Daphne vor ihrem geistigen Auge realisierte.
Wie konnte eine junge Frau mit pfirsichfarbenen, strammen Apfelbäckchen ihre Großmutter sein? Warum waren die Zeichen der Zeit spurlos an ihr vorübergegangen?
Daphne Davallia gab nicht das typische Bild eines Großmütterchens ab, das in einem Schaukelstuhl saß und wiegend im Rhythmus der aneinander klackenden Nadeln strickte. Dalila grübelte angestrengt über physikalische Gesetzmäßigkeiten nach und versuchte eine Erklärung für das junge Erscheinungsbild ihrer Großmutter zu finden. Doch die einzig logische Antwort war diese, dass Jo sie schlichtweg auf den Arm nahm.
Was hatte er bloß davon ein junges Mädchen derart auf den Arm zu nehmen?
Sein Humor war definitiv schwärzer als Kaffee. Dalila war für solche Scherze nicht besonders gut zu haben. Nicht nachdem sie ihre Eltern verloren und nur noch eine einzige Verwandte auf Erden hatte. Doch statt ihre Großmutter endlich in die Arme schließen zu dürfen, wurde ihr ein bizarrer Streich gespielt. Eigentlich wollte sie ihm für diesen geschmacklosen Jux gehörig den Kopf waschen, jedoch fehlte ihr zu dieser fortgeschrittenen Stunde jeglicher Elan um ihm die Leviten zu lesen.
Kurz darauf war ihr Groll über diese Angelegenheit ohnehin schon wieder verflogen und sie begann sich zu fragen, ob nicht doch etwas Wahres an Jos Worten dran sein konnte. Denn irgendetwas tief in ihrem Inneren sagte ihr, dass wenn in dieser Welt die Existenz von Dämonen möglich war – und sie war sich sicher gewesen, dass das Wesen welches sie in Fairyhill angegriffen hatte und entführen wollte, einer war - auch eine Chance dafür bestand, dass die hübsche Frau tatsächlich ihre junggebliebene und bildschöne Großmutter sein konnte. Momentan war sie jedoch nicht mehr dazu in der Lage diesen Gedanken weiter zu verfolgen, denn ihr Kopf rauchte und ihre Schläfen pochten. Dalila hatte einen langen und anstrengenden Tag hinter sich gehabt, da wollte sie sich nicht mit irgendwelchen Eventualitäten auseinander setzen. Desillusioniert ließ sie ihren Kopf hängen und lauschte dem leisen Ticken der Küchenuhr.
„Ich muss mich nun leider verabschieden. Daphne wird dir alles Weitere erklären“, meinte Jo und erhob sich abrupt. Es schien so als ob er es nicht mehr erwarten konnte sich so schnell wie möglich aus dem Staub zu machen. In fliegenden Schritten eilte er auf den Flur hinaus und holte sich seine Jacke. Anschließend steuerte er auf den Hinterausgang zu. Dalila hatte Mühe mit seinem Tempo schrittzuhalten. Jo war bereits durch die Tür gegangen, bevor sie sich von ihm verabschieden konnte. Trotz seines
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