Fay - Das Vermaechtnis des Blutes
schließlich hatte sie ihre eigene Tochter in Sicherheit geglaubt. Sie wurde viel zu früh aus dem Leben gerissen. Doch niemand hatte ahnen können, dass die dunklen Wesen ihre kleine Familie aufspüren und zerstören würde. Auf grausame Weise wurden alle eines Besseren belehrt. Alles was ihr selbst noch geblieben war, war ihre Enkeltochter der sie noch so einiges zu erklären hatte.
Dalila genoss die innige Nähe und lösten die Umarmung erst wieder, nachdem sie ihre überschäumenden Emotionen wieder im Griff hatte.
„Sag mal…“, druckste sie nun herum, nachdem sie ihre Stimme wieder fand.
„Jo meinte, dass du meine Großmutter bist und irgendwie ist das für mich schwer zu glauben. Ist das nur ein Scherz den ihr euch da mit mir erlaubt habt?“, wollte sie von ihr wissen und war wieder den Tränen nahe. Die Frau schluckte, als sie das junge Mädchen anblickte in deren schimmernden Augen ein leichter Hauch von Verlassenheit lag. Wie um sich selbst Mut zu machen, führte sie eine Hand zu ihrem Hals und umschloss den blutroten Anhänger, der am Dekolleté baumelte. Bevor sie ihr eine Antwort darauf gab, atmete sie tief ein und befeuchtete ihre Lippen, so als ob die klärenden Worte dadurch leichter hervorpurzeln würden.
„Ich weiß, dass ich dir noch immer eine Erklärung für die vergangenen Ereignisse schulde. Doch dafür haben wir morgen noch genug Zeit. Jetzt ist es erst einmal wichtig, dass du dich entspannst und zur Ruhe kommst, damit du wieder einen klaren Kopf hast.
Aber eines kann ich dir schon jetzt verraten. Ja, ich bin wirklich deine wahrhafte Großmutter, auch wenn ich äußerlich nicht gealtert bin. Was es damit auf sich hat, wirst du noch früh genug erfahren. Im Moment kann ich dir leider nicht mehr dazu sagen. Deshalb hoffe ich, dass du mir genug Vertrauen entgegen bringen und mir das fürs erste so glauben kannst.“ Nun war es Dalila, die eine Hand zu ihrem Hals führte und nach dem herzförmigen Anhänger suchte. Sie umschloss ihn und fühlte wie sich das kalte Metall an ihre Körpertemperatur anglich. Eigentlich war sie nie ein Mensch von der Sorte gewesen die etwas im Leben wagten. In diesem Augenblick war sie jedoch dazu bereit das Risiko einzugehen einem ihr völlig fremden Menschen blindes Vertrauen zu schenken. Also glaubte sie ihr.
„Ich wüsste nicht was ich ohne dich machen würde, Daphne. In den letzten Stunden fühlte ich mich so einsam und verloren. Doch dank dir habe ich das Gefühl, nicht mehr alleine zu sein und eine zweite Chance zu bekommen“, erklärte sie ihren emotionalen Ausbruch mit gepresster Stimme, um nicht gleich wieder in heilloses Schluchzen auszubrechen.
„Aber das ist doch selbstverständlich, mein liebes Kind. Wir sind eine Familie. Du bist meine Enkelin, eine waschechte Davallia!“, erwiderte sie mitfühlend und trocknete ihr die von Tränen benetzten Wangen. Daphne war überglücklich, dass sie nach all den Entbehrungen, Dalila endlich bei sich hatte. Wie um sicher zu gehen, dass es sich bei dem jungen hübschen Mädchen auch nicht um eine Traumgestalt handelte, drückte sie sie nochmals fest an sich und seufzte leise.
„So, für heute hattest du glaube ich vorerst genug Aufregung. Ab in die Wanne mit dir, bevor das Wasser wieder kalt wird!“ Als Daphne das Zimmer verließ, wandte sie sich ein letztes Mal um und zwinkerte ihr zu, bevor sie die Tür ins Schloss zog.
Dalila schnappte nach Luft. Für einen kurzen Moment überkam sie das Gefühl, ihre Mutter vor sich gesehen zu haben, denn genau dieselbe Geste hatte auch sie gemacht, wenn sie sich von jemand verabschiedete und den Raum verließ. Einerseits machte sie diese Erkenntnis traurig und andererseits war sie froh darüber, in ihrer Großmutter so viel von ihrer eigenen Mutter wiederzuerkennen. So war sie sich zumindest sicher ihre Mutter niemals zu vergessen, denn Daphne würde sie unbewusst täglich an sie erinnern.
*****
Die sanften Farben des Zimmers hatten eine beruhigende Wirkung auf Dalilas Gemüt. Sie setzte sich auf ihr Bett und kramte das Foto aus ihrer Reisetasche hervor, das sie von Zuhause als Andenken mitgenommen hatte. Voller Wehmut betrachtete sie die lachenden Gesichter darauf. Wo immer sich die Seelen ihrer Eltern auch befinden mochten, hoffte sie, dass sie ihr vergeben konnten.
Sie platzierte das Foto auf der Kommode, sodass sie vom Bett aus immer einen Blick darauf werfen konnte. Die dunkelrote Damenhandtasche, in der sie ihr Geschenk vorgefunden hatte,
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