Fear
den Achseln. »Das Problem ist, im Moment erinnert er mich mehr und mehr an Roy.«
Diana zuckte zusammen. Leon trank bedächtig einen Schluck Wasser. »Dann ist Joe also heute nicht hier?«
»Nein. Er hat gefragt, ob er sich meinen Wagen ausleihen könnte.«
»Weißt du, wohin er gefahren ist?«
»Gestern Abend hat er mit Ellie Kipling gegessen. Vielleicht hat er mit ihr einen Ausflug gemacht.«
Leons Lippen formten sich zu einem fiesen Grinsen. »Was hat Glenn denn dazu gesagt?«
»Nicht viel. Ihre Ehe ist schon vor Jahren gescheitert.«
»Oh, aber du weißt doch, wie das ist, Di. Da lodert immer noch ein Feuer.«
»Mag sein.« Er wollte sie nur reizen, das wusste sie. Aber es funktionierte.
»Sag nicht, dass in dir nicht immer noch ein Feuer für den alten Roy lodert.« Immer noch grinsend hob Leon eine Hand an die Brust und drückte die geballte Faust an sein Herz. »Den guten – alten – seligen – Roy.« Bei jedem Wort schlug er sich auf die Brust, als wollte er ein langsam pochendes Herz imitieren.
Tränen rannen ihr über die Wangen. Leon sah sie, wartete auf ein Schluchzen, ein Aufheulen, doch Diana gab keinen Laut von sich.
Glenn kam zurück. Er bemerkte ihre Tränen und sah schnell woandershin.
»Was gefunden?«, fragte Leon, als ob Diana gar nicht da wäre.
»Nur Klamotten. Und Toilettenartikel.« Er drückte sich verlegen in die Ecke und wich ihrem Blick aus.
Leon sah Diana an und runzelte die Stirn. »Vince vom Britannia-B&B sagte, er hätte kein Gepäck dabeigehabt. Als ich ihn am Mittwoch gesehen habe, hat er Rasierzeug und Deo gekauft. Wer vergisst denn solche Dinge, wenn er einen längeren Aufenthalt plant?«
Er untermalte die Frage, indem er die Hände ausbreitete, doch es schien ihn nicht zu stören, dass sie keine Antwort gab. Es ging ihm mehr um eine Demonstration seines Wissens und seiner Macht.
»Er hat mit dieser ausländischen Schlampe über ihre Schwester geredet. Wir haben ihn dabei erwischt, wie er in der Nähe meines Hauses herumgeschnüffelt hat. Und da soll ich glauben, er hätte eine blütenweiße Weste?«
Diana merkte, wie sie zitterte. Wenn Leon von Joes Geheimnis Wind bekäme, würde er unweigerlich daraus Kapital zu schlagen versuchen. Gebetsmühlenartig ging es ihr durch den Kopf: Nichts über Joes Vergangenheit. Nichts über Undercover-Einsätze. Nichts über Joes Vergangenheit …
»Du glaubst, was du glauben willst, Leon. Was immer ich sage, es wird keinen Unterschied machen.«
»Probier’s aus. Schwör, dass er kein Polizist ist?«
Sein Ton war so vernünftig, dass sie zögerte; sie befürchtete eine Falle. Leon mochte sich kleiden wie ein Gast in einer Nachmittags-Talkshow im Privatfernsehen, aber er war gerissen und schlau wie ein Winkeladvokat.
»Ja«, sagte sie. »Ich schwöre es.«
»Warum hat er den Polizeidienst quittiert?«
»Ich … Ich kenne den Grund nicht. Zu der Zeit hatten wir schon keinen Kontakt mehr.«
Seine Lippen strafften sich. Er glaubte ihr nicht. Glenn stand in der Küchenecke und studierte einen National-Trust-Kalender, als ob er noch nie so etwas Faszinierendes gesehen hätte.
Leon schob seinen Stuhl zurück und stand auf. »Ich will es dabei bewenden lassen, Di. Aber ich an deiner Stelle würde dafür sorgen, dass Joe nicht in Roys Fußstapfen tritt. Ich reagiere sehr ungehalten auf Verrat …«
Die Worte hingen in der Luft wie eine Giftgaswolke. Mit einem knappen Nicken in Glenns Richtung verließ Leon den Raum.
Die Haustür fiel ins Schloss, und Glenn erwachte ruckartig aus seiner Starre. Er eilte auf Diana zu und musterte sie besorgt mit diesen Augen, die sie seit Jahren immer wieder in ihren Bann zogen. Jetzt musste sie sich beherrschen, um ihn nicht zu ohrfeigen.
Sie hielt die Arme vor die Brust, die Handflächen nach außen gedreht, um ihn abzuwehren.
Er blieb einen halben Meter vor ihr stehen. »Das war ein bisschen heftig. Verrat. Darüber werde ich noch mit ihm reden müssen.«
»So, das wirst du also tun, ja?«
»Ja. Ich gehe später noch zu ihm rüber.«
»Warum nicht jetzt, Glenn? Was hat dich daran gehindert, dich hier und jetzt für mich einzusetzen?«
»Es ist ja nicht so, als …«
»Raus.«
»Di, ich bitte dich …«
»Nein. Ich will, dass du gehst.«
Sie drehte sich entschlossen von ihm weg und wartete. Es kam ihr vor wie eine halbe Ewigkeit, bis die Tür zum zweiten Mal zufiel und sie allein war.
57
Pearse führte Joe in ein ziemlich nichtssagendes Café und bestellte Kaffee für sie beide.
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