Fear
nicht? Die beste Beziehung, die ich je hatte.«
»Dann tu für Joe, was in deiner Macht steht«, sagte sie. »Tu es für einen Neuanfang.«
Glenn starrte sie lange an. »Meinst du das ernst?«
Sie nickte. Er sah auf seine Uhr, und Dianas Blick ging automatisch zu ihrer eigenen. Es war zwanzig vor zwei.
»Ich muss telefonieren«, sagte er.
75
Sie flößten ihm den Wodka ein, langsam und geduldig, stundenlang, wie es schien. Joe hatte keine Wahl, er musste es mit sich geschehen lassen. Wenn er überhaupt noch eine Überlebenshoffnung hatte, dann lag sie nicht in gewaltsamem Widerstand, sondern in den Fertigkeiten, die er in seinem früheren Leben perfektioniert hatte.
Ein Undercover-Ermittler ist im Grunde ein Schauspieler, und Joe war immer stolz gewesen auf seine Fähigkeit, ganz in die Rolle eines anderen zu schlüpfen, als Krimineller unter Kriminellen zu leben, tage- oder gar wochenlang. Das hatte oftmals bedeutet, Unmengen von Alkohol in sich hineinzuschütten, um Runde für Runde mit seinen Komplizen mitzuhalten. Doch in einer Situation, in der jedes falsche Wort tödliche Folgen haben konnte, hatte er eine Strategie entwickelt, mit der er es vermied, hoffnungslos betrunken zu werden.
Im ersten Stadium zeigte die Person, die er verkörperte, sämtliche Symptome der Alkoholisierung, während der echte Joe hinter der Maske nüchtern und hellwach blieb. Um dies zu erreichen, stellte er sich Gedächtnisaufgaben und vollführte im Kopf Rechenoperationen, während zugleich sein Blick sich trübte und seine Zunge schwer wurde.
Er hatte zum Frühstück ein Specksandwich gegessen und dazu zwei Tassen Kaffee mit Milch getrunken. Damit hatte er schon eine recht gute Unterlage in Form von Fett und Eiweiß im Magen, obwohl ein warmes Pfannengericht natürlich noch besser gewesen wäre.
Als die Wodkaflasche bis auf zwei Fingerbreit geleert war, holte Bruce eine Schachtel Paracetamol und einen Mörser mit Stößel. Dann begann er die Tabletten zu Pulver zu zerstoßen und pfiff dabei vor sich hin wie ein eifriger Koch.
Reece protestierte. »Es ist noch zu früh. Er könnte sterben, bevor wir dort sind.«
»Na und?«
»Das ist nicht der Plan.«
»Wollen wir Clive fragen?«, schlug Todd vor, nachdem die beiden anderen sich eine volle Minute lang böse angestarrt hatten.
Reece schlappte davon, und als er zurückkam, grinste er triumphierend. »Wir flößen ihm den Rest ein, wenn wir dort sind.«
Joe war froh, das zu hören. Er hatte eine Technik, um gegen den Alkohol anzukämpfen, aber bei Tabletten war er machtlos.
»Ich muss pinkeln«, erklärte er und achtete dabei darauf, nicht zu stark zu lallen. Er wusste, dass man leicht zur Übertreibung neigte, wenn man einen Betrunkenen zu spielen versuchte.
»Schnauze.« Reece sah auf seine Uhr und sagte zu den anderen: »Wir können bald aufbrechen.«
»Ichmeinsernst«, nuschelte Joe und wackelte ein wenig mit dem Kopf. »Ich muss ganz dringend. Sonst mach ich mir in die Hose.«
Bruce stöhnte. »Ich will nicht, dass er uns den Range Rover vollseicht.«
»Was ist, wenn er irgendwelche Tricks versucht?«, beklagte sich Reece.
»Was?«
»Wir sollten ihm die Handschellen dranlassen.«
»Und wie soll er dann …?«
»Ich halt ihm nicht den Schniedel«, sagte Todd schnell. »Und ich geh auch nicht mit ihm rein.«
Bruce übernahm das Kommando. »Herrgott noch mal. Hauptsache, er kann nicht aus dem Fenster klettern. Wir sind zu dritt. Besser, wir lassen ihn jetzt pinkeln gehen, sonst müssen wir nachher das Auto sauber machen.«
Reece nickte widerstrebend. Er behielt Joe genau im Auge, während die beiden anderen ihm die Handschellen abnahmen und ihn auf die Füße stellten. Joes Kopf drehte sich, und er merkte, dass er tatsächlich ziemlich berauscht war, Schauspielerei hin oder her. Und doch war ein Teil von ihm ganz tief drin immer noch nüchtern und behielt wenigstens halbwegs die Kontrolle wie bei einem Auto, das gleichzeitig von einem Fahranfänger und einem Fahrlehrer gesteuert wird.
Sie führten ihn in ein Schlafzimmer mit angeschlossenem Duschbad: keine Fenster, kein Fluchtweg. Eins zu null für die anderen.
Als echte Machos hielten sie alle drei einen Sicherheitsabstand zur Toilette, nachdem sie Joe hineingeschoben hatten. Er sank taumelnd mit dem Rücken gegen die Tür und stieß sie dann mit einem raschen Hackentritt – getarnt als alkoholbedingte Ungeschicklichkeit – ganz ins Schloss.
Er hatte nicht viel Zeit. Der Harndrang war durchaus echt, aber
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