Fear
sie die Kanne der Kaffeemaschine mit Wasser füllte. »Ich kann dir auch schnell was zu essen machen, wenn du Hunger hast.«
»Nein, ich will dir keine Umstände machen.«
»Ich will dir ja auch kein Drei-Gänge-Menü servieren. Wie wär’s mit Toast und Butter?«
Joe lachte. »Mir läuft jetzt schon das Wasser im Mund zusammen. Ich glaube, das Angebot sollte ich annehmen.«
Während Diana beschäftigt war, nutzte er die Zeit, um sich ein wenig umzusehen. Die Küche war warm und gemütlich und ein bisschen unaufgeräumt – genau die Umgebung, in der er sich Diana vorstellen konnte.
»Du hast also für dieses Jahr schon geschlossen?«
»Ja. Das Geschäft hat spürbar nachgelassen, nachdem die Schule wieder anfing. Manche würden sagen, es ist noch gar nicht richtig in Schwung gekommen bei dem vielen Regen, den wir hatten. Der August war ein kompletter Reinfall.«
»Ich nehme an, die Konkurrenz ist hier ziemlich heftig. Der Besitzer vom Britannia Place sagte, er habe noch nie von dir gehört.«
»Ach, das ist Vincent Hocking. Ein unangenehmer Zeitgenosse. Begegnet so ziemlich jedem Menschen mit spontaner Antipathie.«
»Also ist er so was wie der Basil Fawlty von Trelennan?«
»Genau. Jede Stadt sollte einen haben.«
Sie brachte ihm einen Teller mit vier dicken Scheiben getoastetem Weißbrot, dazu Butter und ein Glas Himbeermarmelade. Er sog genüsslich den Duft ein. »Herrlich. Genau das, was ich jetzt brauche.«
Während sie sich umdrehte, um die Kaffeetassen zu holen, fügte er hinzu: »Zum Glück habe ich noch jemand anderen gefragt und erfahren, dass du wieder deinen Mädchennamen angenommen hast.«
Diana erstarrte einen Moment. Dann nickte sie. »Ja, ich bin jetzt wieder Diana Walters. ›Diana Bamber‹ habe ich eigentlich nie gemocht. Das hat so einen seltsamen Rhythmus, findest du nicht?«
Sie drehte sich um, als sei sie an seiner Reaktion interessiert, doch zugleich spürte er, dass sie das Thema nicht vertiefen wollte. Er zuckte mit den Achseln und sagte nichts.
Sie setzte sich ihm gegenüber, umfasste ihren Kaffeebecher mit beiden Händen und hielt das Gesicht in den warmen Dampf. Das wäre vielleicht der Moment gewesen, in dem Joe die Hand ausstrecken und ihren Arm hätte berühren können, doch er war sich nicht sicher, ob er ihre Signale richtig deutete.
»Bist du sicher, dass alles in Ordnung ist?«, fragte er.
»Ganz sicher. Wieso?« Sie nahm einen Schluck, schlürfte aber so nervös, dass ein paar Tropfen auf ihrem Kinn landeten.
Um ihr die Verlegenheit zu ersparen, sagte Joe: »Ärgerst du dich auch immer so, wenn dir so was passiert? Ich schütte mir ja dauernd Bier übers Hemd.«
»In meinem Fall ist es wohl eine Alterserscheinung.« Sie schüttelte missbilligend den Kopf, doch diese Eingeständnisse ihrer Fehlbarkeit schienen sie beide ein wenig zu entspannen, und der Ton der alten, vertrauten Diana Bamber war wieder da, als sie sagte: »Also, Joe Clayton, da stehst du nun nach all den Jahren urplötzlich bei mir auf der Matte. Ich finde, du solltest mir jetzt mal verraten, wo du gewesen bist und was du von mir willst.«
»Der zweite Teil ist schnell beantwortet. Ich brauche etwas, wo ich für ein paar Tage unterkommen kann.«
Diana nickte, aber es schien eher zu bedeuten, dass sie seine Bitte verstanden hatte, als dass sie sie ihm gewährte.
»Hast du denn nicht noch einen Koffer oder eine Tasche?«
»Nur das, was ich am Leib trage. Es wird noch eine Weile dauern, bis ich meine Sachen abholen kann.«
Sie presste die Lippen zusammen und sah ihn skeptisch an. »Ach?«
»Pass auf«, sagte Joe, »es ist nicht so leicht zu erklären. Zuerst muss ich dich noch etwas fragen. Hast du Helen in letzter Zeit gesehen oder von ihr gehört?«
Es dauerte einen Moment, bis Diana antwortete. »Das ist sehr lange her. Wieso fragst du?«
»Gab es in den letzten vier oder fünf Jahren irgendeinen Kontakt?«
»Ich glaube nicht. Wir haben uns immer zu Weihnachten geschrieben, aber das ist irgendwie eingeschlafen, nachdem wir hierhergezogen waren.« Leiser Vorwurf schwang in ihrer Stimme.
»Es tut mir leid. Ich habe ein furchtbar schlechtes Gewissen, weil ich mich nach Roys Tod nicht bei dir melden konnte.«
Diana blickte zur Decke auf, als ob sie sich zu erinnern versuchte. »Helen hat mich angerufen und mir alles erklärt. Wenn ich es mir recht überlege, war das wohl das letzte Mal, dass ich mit ihr gesprochen habe. Die Beerdigung war im Dezember 2005 in der Woche vor Weihnachten.«
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