Fear
ein halbes Dutzend Parkplätze. Nur einer war belegt mit einem relativ neuen Mazda MX-5. Nicht die Art von Gefährt, in dem er sich Diana vorstellen konnte.
Drei breite Stufen führten zu einem Windfang mit Fliesenboden. Zu beiden Seiten der Tür waren schmale Milchglasfenster eingesetzt. Die Tür selbst war aus dunklem Eichenholz mit Eisenbeschlägen. Neben einem altmodischen Klingelzug hing ein Schild mit der Aufschrift: The Dolphin Bed and Breakfast, geöffnet 1. Mai bis 30. September. Das erklärte, warum nur ein einsames Auto auf dem Parkplatz stand.
Joe sah auf die Uhr: kurz nach neun. Etwas spät für einen Überraschungsbesuch, aber es ging noch. Er hoffte, dass sie es verstehen würde.
Er läutete, und gleich darauf wurde die Tür geöffnet. Er hatte Diana über sieben Jahre nicht mehr gesehen, und im ersten Moment verschlug es ihm die Sprache. War dies das richtige Haus, die richtige Frau?
Sie trug ein knielanges rosa Kleid mit einem weißen Pashminaschal darüber. Das Kleid lag eng an und war ziemlich tief ausgeschnitten. Diana war nie wirklich übergewichtig gewesen, aber jetzt war sie ausgesprochen schlank und wohlgeformt. Sie trug dezentes Make-up, ihre Haare waren kürzer und wahrscheinlich gefärbt; sie hatten einen rötlichen Schimmer. Sie sah merkwürdigerweise jünger aus, als er sie von damals in Erinnerung hatte.
Diana hatte die Tür ohne eine Spur von Argwohn geöffnet, ein freundliches Lächeln auf den Lippen. Jetzt sah Joe, wie das Lächeln aus ihrem Gesicht wich, ebenso wie die Farbe aus ihren Wangen. Ihre Finger umfassten den Knauf fester, als ob sie sich darauf gefasst machte, die Tür gleich wieder zuzuschlagen. Joe kam der Gedanke, dass sie vielleicht deswegen so schnell zur Tür geeilt war, weil sie jemand anderen erwartete.
»Diana, ich bin’s«, sagte er. »Joe Clayton. Roys Exkollege.«
Sie nickte ernst. Als sie sprach, lag etwas wie Hoffnungslosigkeit in ihrer Stimme; es war, als ob sie vor seinen Augen in sich zusammensackte.
»Ich weiß, wer du bist, Joe. Aber warum musstest du hierherkommen?«
9
Es war nicht die Reaktion, die er erhofft hatte. Andererseits konnte er es ihr kaum verdenken.
»Es tut mir leid. Ich brauche deine Hilfe.«
Sie zögerte lange, und das Zittern ihrer Hand an der Tür verriet, was ihr durch den Kopf ging: Soll ich ihn hereinlassen, oder soll ich ihn wegschicken? Endlich sagte sie: »Es ist gerade sehr ungünstig für mich.«
»Du bist doch nicht in Schwierigkeiten?«, fragte Joe.
»Nein, es ist nichts dergleichen …« Wieder verstummte sie, offenbar nicht gewillt, ihm eine Erklärung zu liefern.
»Na gut. Dann entschuldige bitte die Störung.« Joe konnte sich nicht dazu durchringen zu bitten und zu betteln. Dazu hatte er kein Recht. Er trat aus dem Windfang hinaus in den prasselnden Regen, als er hinter sich die Tür knarren hörte.
»Warte.«
Joe drehte sich um. Er spürte, wie die Regentropfen ihm über Gesicht und Hals rannen, und er fragte sich, ob sie sich an einem trockenen Abend überhaupt hätte erweichen lassen.
»Tut mir leid«, sagte Diana. »Ich weiß nicht, was ich mir dabei gedacht habe. Komm rein.«
»Bist du sicher?«
»Ja. Ich war nur … vollkommen perplex, denke ich. Es ist so lange her.«
»Allerdings«, pflichtete er ihr bei. »Und das ist größtenteils meine Schuld.«
Joe betrat eine breite Diele, wo er seine Jacke und die Turnschuhe auszog. Als er seine Mütze an einen Haken hängte, bemerkte Diana: »Das ist nicht gerade der Kleidungsstil, den ich mit dir in Verbindung bringen würde.«
»Sehe ich genauso. Aber darum ging’s mir gerade.«
Sie sah ihn fragend an. »Eine Verkleidung?«
»Mehr oder weniger.«
»Von wo kommst du? Hast du ein Auto?«
Er schüttelte den Kopf. »Nur Züge und Busse, von Bristol bis hierher.«
»Bristol?« Sie beugte sich vor und betrachtete sein Gesicht. »Du bist erschöpft. Hast du überhaupt schon was gegessen?«
»Nicht so richtig. Für einen Kaffee würde ich jetzt alles stehen und liegen lassen.«
»Da kann ich Abhilfe schaffen. Komm mit.«
Diana führte ihn den Gang entlang durch einen Speisesaal mit einem halben Dutzend kleinen Tischen und weiter in eine geräumige Küche, die erweitert worden war, um Platz für einen Frühstücksraum zu schaffen. Auf einem größeren Tisch lagen ein Stapel Illustrierte und eine Lokalzeitung mit aufgeschlagenem Immobilienteil. Daneben standen ein sauberer Aschenbecher und eine benutzte Teetasse.
»Setz dich«, sagte sie, während
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