Fear
erhaschte einen Blick auf ein markantes Profil mit Adlernase. Es war das Gesicht eines Mannes in mittleren Jahren, jedoch mit ungewöhnlich glatter und rosiger Haut, die wie frisch poliert wirkte. Joe sah keine Haare unter dem Zylinder hervorschauen, und er vermutete, dass der Mann völlig kahl war.
Die Männer, die ihn flankierten, waren jünger und kleiner, aber ebenso formell gekleidet. Ihr Gebaren war das von Lakaien; jede Bemerkung des Großen quittierten sie mit eifrigem Nicken.
Sobald die drei außer Sichtweite waren, trat Joe auf den Platz hinaus. Da sah er eine Frau in seine Richtung eilen; sie hielt den Kopf gesenkt, während sie sich bemühte, einen Regenschirm aufzuspannen. Schließlich sprang er mit einem ploppenden Geräusch auf, und die Frau hob den Kopf. Sie erblickte Joe und stieß einen überraschten Ruf aus.
Er hob die Hände – die universelle Geste der Beschwichtigung. »Entschuldigen Sie. Können Sie mir helfen? Ich suche jemanden.«
»Ach ja?« Der Ton der Frau war trocken, aber nicht unbedingt feindselig. Sie war in einen dicken Wollmantel gehüllt. Um die dreißig, schätzte er, mit dunklen Haaren und dunklen Augen, aus denen eine wache Intelligenz sprach.
»Kennen Sie eine Diana Bamber?«
Die Frau runzelte die Stirn und trat einen halben Schritt zurück. Sie musterte Joe von Kopf bis Fuß, als wollte sie ihren ersten Eindruck revidieren. »Diana Bamber?«
»Sie hat hier zusammen mit ihrem Mann Roy ein B&B geführt, aber er …«
»Ich weiß, wen Sie meinen. Sie heißt jetzt Diana Walters. Hat ihren Mädchennamen wieder angenommen.«
»Ah. Können Sie mir sagen, wo sie wohnt?«
Die Frau deutete mit ihrer freien Hand zur Strandpromenade. »Sie biegen am Ende der High Street links ab und folgen der Küstenstraße bis zur Potters Lane. Das B&B heißt ›The Dolphin‹. Es ist ungefähr auf halbem Weg die Straße rauf auf der rechten Seite.«
»Danke.«
»Gern geschehen«, sagte sie, doch so hörte es sich ganz und gar nicht an.
Joe grübelte über diese neuerliche charmante Begegnung nach, während er den Weg zurückging, den er gekommen war, und auf die Küstenstraße einbog. Ein weißer Lieferwagen kam ihm entgegen, dessen Scheinwerfer den Asphalt mit gelbem Licht fluteten. Der Wagen verlangsamte die Fahrt, als er auf Joes Höhe war, und Joe spürte, wie sich die Augen des Fahrers auf ihn hefteten. Es war ein junger Mann, der eine Art Uniform trug, und er musterte ihn mit jenem strengen Blick, den Joe selbst oft eingesetzt hatte, als er noch in Uniform unterwegs gewesen war: Ich hab dich auf dem Kieker, Freundchen.
Auf der Seitentür des Transporters war ein Firmenemblem, das er aber in der Dunkelheit nicht richtig erkennen konnte. Nachdem der Wagen in die High Street abgebogen war, sah Joe sich noch ein paarmal um. Halb rechnete er damit, dass der Fahrer wieder umkehren würde, um ihn zu überprüfen.
Wie sich herausstellte, war die Potters Lane keine siebzig Meter vom Britannia Place entfernt. Die Einmündung war nur wenig breiter als eine Grundstückseinfahrt, eingezwängt zwischen zwei niedrigen Schiefermauern in charakteristischem Fischgrätenmuster.
Die Straße führte noch steiler bergauf als die High Street und war gesäumt von attraktiven Villen aus weißem Stein. Der Gesamteindruck wurde nur durch den grauen Kasten einer Trafostation getrübt. Aufgrund der Steigung waren die Vorgärten überwiegend gepflastert und in Terrassen angelegt. In den Einfahrten parkten BMWs, Mercedes und Audis. Vor einem Haus stand ein für den Straßenverkehr zugelassenes Yamaha-Quad im Wert von mindestens fünftausend Pfund vollkommen ungesichert direkt hinter dem offenen Tor. Joe war sich sicher, dass es am Morgen nicht mehr da sein würde, wenn der Besitzer versäumte, es zu sichern.
Danach machte die Straße eine scharfe Rechtskurve, und bald darauf kam das »Dolphin« in Sicht, ein stattliches viktorianisches Anwesen, das früher wohl einmal ein Pfarrhaus oder gar ein Herrenhaus gewesen war. Es war aus traditionellem kornischem Stein erbaut mit Erkerfenstern vorn und hinten sowie zwei abgewalmten Dachgauben. Joe schätzte, dass es über mindestens sechs oder sieben Zimmer verfügen musste. Roy und Diana hatten es wirklich zu etwas gebracht, dachte er.
Das Grundstück war mit einer Mauer aus demselben kornischen Stein eingefasst. Entlang der Grenze standen alte Bäume und andere Pflanzen, doch der größte Teil des Gartens vor dem Haus war gepflastert, und weiße Linien markierten
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