Fear
Tage da unten gewesen?«
»Wahrscheinlich. Und sie ist nicht die Erste.« Joe seufzte. Seine Wut auf Leon spiegelte nur die Wut, die er auf sich selbst verspürte. »Wie kann es sein, dass niemand sonst von dem Tunnel gewusst hat? Sie müssen ihn doch gesehen haben, als er das Kellergeschoss ausgebaut hat?«
»Ich bin so gut wie nie da unten gewesen.«
»Waren nicht noch andere Handwerker beteiligt?«
»Glenn hat die meisten Arbeiten selbst gemacht. Er ist monatelang hier ein und aus gegangen, und ich hatte kein Problem damit, ihn einfach machen zu lassen.«
»Und seitdem? Wie war es, wenn er ihnen Essen und Wasser gebracht hat?« Joe schauderte. »Wenn er sie besucht hat?«
»Sie haben doch gesehen, wie es hier zugeht. Es ist ein ständiges Kommen und Gehen. Manche von den Leuten wohnen mehr oder weniger hier. Wenn alles ruhig war, hätte Glenn sich jederzeit nach unten in den Keller schleichen können, ohne dass irgendjemand es mitbekam.«
Leon sagte die Wahrheit, doch er redete fast ein bisschen zu bereitwillig darüber, dachte Joe. Und das erinnerte ihn wieder an das Gespräch, das sie vor Jennys Enthüllung geführt hatten.
»Was kann ich mir nicht zusammenreimen?«
Leon zuckte mit den Achseln. »Haben Sie mir irgendetwas zu bieten?«
Während Leon Joe verhöhnte, brüllte plötzlich eine andere Stimme: »Du dreckiges Mörderschwein!«
Es war Patrick Davy. Triefnass und mit irrem Blick, seine Handgelenke blutüberströmt, kam er hereingestürmt und schwang den Kricketschläger mit rasender Entschlossenheit.
Joe schrie ihn an, wollte ihm Einhalt gebieten, doch es nützte nichts. Davy reagierte nicht, wahrscheinlich hörte er gar nichts, so fixiert war er auf sein Opfer.
Und sein Opfer hatte nicht die geringste Chance. Gehandicapt durch sein verletztes Handgelenk reagierte Leon mit einer unbeholfenen Bewegung und versuchte sich zugleich zu ducken und wegzudrehen. Am Resultat änderte das wenig. Der Schläger krachte in seine Schläfe. Das Geräusch war verblüffend laut und durchdringend – ein hartes, schallendes Knacken, das Joe durch Mark und Bein ging.
In dem Moment, als der Schläger ihn traf, sah Leon Joe an: ein bekümmerter, flehender Blick voller Selbstmitleid. Sein Körper schlug mit solcher Wucht auf, dass der Boden erzitterte. Davy holte schon zu einem weiteren Schlag aus, doch diesmal hörte er Joes Ruf und zögerte.
»Der Mistkerl hätte Sie heute umgebracht. Sie schulden ihm keine Gnade.«
»So einfach ist das nicht«, entgegnete Joe. »Ich weiß nicht, wie viel Sie mitgehört haben?«
»Nicht viel. Ich habe es geschafft, mich von den Handschellen zu befreien, dann bin ich aus dem Fenster gestiegen, habe mir den Schläger geholt und bin wieder reingeklettert.« Davys Ton war nüchtern und sachlich. Was er nicht sagte, war, dass er auch einfach hätte davonlaufen und Joe seinem Schicksal überlassen können.
Joe wollte ihm danken, doch da bemerkte er, dass Fenton sich in Richtung Haustür davonstahl. Er packte den dicken Mann am Kragen und zerrte ihn zurück. »Hinsetzen«, sagte er. Davy unterstrich die Anweisung, indem er Fenton den Kricketschläger in den Bauch bohrte.
»Ist das Mädchen okay?«, fragte er. Jennys Augen waren wieder geschlossen, doch sie atmete gleichmäßig.
Joe schilderte, was er in dem Tunnel gefunden hatte, und erklärte dann, dass Glenn dafür verantwortlich war. Nicht Leon.
»Ach du Scheiße. Trotzdem, er hat es verdient. Allein schon wegen Alise.« Davy betrachtete Leons hingestreckte Gestalt. »Ich weiß nicht, was Glenn da für ein Spiel gespielt hat – Sie hierherzuschicken, wo er doch wusste, was Sie finden würden.«
»Ich denke, er hat es getan, weil alles auf Leon hindeutete. Der Tatort; Leons bekannte Neigung zur Gewalttätigkeit; die Art, wie er Alise gefoltert hat. Und wenn Glenn Leons Namen benutzt hat, als er diese Frauen ansprach, dann muss er von Anfang an geplant haben, Leon die Schuld in die Schuhe zu schieben.«
»Mein Gott. Nach allem, was ich von dem Typ gesehen habe, hätte ich ihn nie für so clever gehalten.«
»Ich auch nicht. Er hat uns alle zum Narren gehalten.«
»Und wie geht’s jetzt weiter?«
Joe stieß Fenton mit dem Fuß an. »Erst mal fesseln wir den hier.«
Während Davy die Plastikhandschellen holte, untersuchte Joe Leon. Er lebte noch, trotz einer schweren Schädelfraktur, doch es schien keineswegs sicher, dass er durchkommen würde. Joe war zuversichtlich, dass ihm der Ausgang so oder so keine schlaflosen
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