Fear
mich nicht erinnern.«
»Aber hast du dich nie gefragt, ob es da vielleicht eine Verbindung gab, nachdem du von den verschwundenen Frauen gehört hattest?«
»Bin nie auf die Idee gekommen. Ich hab seit Jahren nicht mehr an diesen Raum gedacht.«
»Ich meine nicht in letzter Zeit. Was ist zum Beispiel mit dem Mädchen, nach dem Roy gesucht hat? Das war doch um die Zeit, als du den Tresorraum gebaut hast.«
Ihre Stimme veränderte sich, wurde bei den letzten Worten ganz tonlos. Sie betete, dass er es nicht bemerken würde. Wieder eine Erkenntnis – und diese hier traf sie wie ein Fausthieb in die Brust. Ellie starrte sie an, als ob sie es ebenfalls spürte wie eine mentale Schockwelle.
Verärgert sagte Glenn: »Willst du etwa behaupten, ich hätte gewusst, was Leon dort getrieben hat?«
»Nein.« Diana schüttelte heftig den Kopf. »Ganz und gar nicht.«
Wieder fing sie Ellies Blick auf, und einen Sekundenbruchteil lang sah sie die gleichen Zweifel, die gleiche Angst, die in ihren eigenen Augen aufgeblitzt haben musste. Wie ein unwillkürlicher Blick in den Spiegel während irgendeines schrecklichen Martyriums, ein Anblick, der einem schlagartig den letzten Lebensmut raubt.
Das Schweigen dehnte sich aus. Diana lauschte dem Wind, der ans Fenster trommelte, hörte die Scheite im Kamin knacken. Bald würde sie die ersten Kerzen ersetzen müssen. Ein weiterer unwillkommener Gedanke begann sich in ihr Bewusstsein einzuschleichen.
Vielleicht kommt Joe ja nicht wieder. Vielleicht hat Leon die Oberhand gewonnen.
Ellie seufzte, ließ die Zeitschrift halb von ihrem Schoß gleiten und betrachtete Glenn mit einem merkwürdigen, verträumten Lächeln.
»Was wirst du Alec erzählen?«, fragte sie.
Glenn zuckte zusammen. Sein Sohn verachtete ihn, weil er Ellie betrogen hatte, und Diana wollte nicht ausschließen, dass er sie ebenso verachtete. Das Thema kam nicht oft zur Sprache, wenngleich Glenn sich hin und wieder darüber beklagt hatte, dass er nicht die Art von Vater-Sohn-Beziehung habe, die ihm seiner Meinung nach zustand.
»Was soll ich Alec erzählen?«, fragte er genervt.
»Von den Frauen. Wie viele waren es insgesamt?«
Glenn sah Ellie an, als fühlte er sich gekränkt, weil sie in Gegenwart seiner derzeitigen Lebensgefährtin ein so delikates Thema ansprach.
»Du meinst meine Freundinnen? Willst du über die Frauen reden, die ich gevögelt habe?«
»Nein, nicht über deine Freundinnen. Es sei denn, du bezeichnest sie so.«
Diesmal war sein ungläubiger Blick an Diana adressiert, als wollte er sagen: Fragst du dich nicht auch, worauf meine verrückte Exfrau eigentlich hinauswill? Aber Diana reagierte nicht. Es kam ihr vor, als wäre jeder einzelne Muskel in ihrem Körper in Beton gegossen, ein Gefühl wie in einem Alptraum, wenn man hilflos zusehen muss, wie eine Katastrophe sich anbahnt, ohne dass man eingreifen kann.
»Was ich meine«, sagte Ellie, »ist, wie viele Frauen Joe in den Tunnels finden wird?«
»Woher soll ich das wissen?«
Ellie schüttelte den Kopf, und ihre Miene war unaussprechlich traurig. »Weil du sie ermordet hast.«
88
Es war nicht Leon. Es war Glenn. Eine niederschmetternde Erkenntnis, umso mehr, weil Joe vorgeschlagen hatte – ja, darauf bestanden hatte –, dass Glenn bei Ellie und Diana bleiben sollte.
Fast so schockierend war das Wissen, dass es Glenn so lange gelungen war, sein wahres Wesen zu verbergen. Joe wusste, dass nach der Entlarvung eines Mörders die Frauen in seinem Leben sich oftmals mit dem Vorwurf konfrontiert sahen, sie »hätten es wissen müssen«, auch wenn sie in Wahrheit von den Verbrechen ihres Partners nichts geahnt hatten.
Wir sehen, was wir sehen wollen , dachte er. Und was sie gesehen hatten, war das Gleiche, was Joe selbst in Glenn gesehen hatte: einen gutaussehenden Frauenschwarm, einen raubeinigen Charmeur.
Joe hatte die Frau – sie hatte ihm gesagt, dass sie Jenny hieß – nicht überanstrengen wollen, doch er gab ihr eine kurze Beschreibung von Glenn, worauf sie sofort bestätigte, dass er der Mann war, der sie in einem Pub in Exeter angesprochen und ihr möglicherweise ein Betäubungsmittel in den Drink gemischt hatte.
»Er nannte sich Leon. Er hat ziemlich viel geprahlt – wie reich er sei, wie erfolgreich. Ich hielt das damals für leeres Geschwätz.«
Joe merkte, wie Leon näher trat, um mitzuhören. Er schien ehrlich entsetzt, besonders als Jenny Joe das Datum nannte, an dem es ihrer Erinnerung nach passiert war.
»Sie ist zehn
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