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Fear

Fear

Titel: Fear Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Bale
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zeigte ein gertenschlankes rehäugiges Mädchen mit langen dunklen Haaren, das strahlend in die Kamera lächelte. Sie sah umwerfend aus.
    Joe betrachtete das Foto. »Und was hat die Polizei als Nächstes unternommen? Sind sie auch hierhergekommen?«
    »Ja, irgendwann schon. Sie sagen, sie haben mit Leon gesprochen, und er weiß nichts. Ist nicht in Newquay gewesen. Hat Kamila nie gesehen.«
    »Er hat ein Alibi für diesen letzten Tag – den Tag, als Sie mit ihr gesprochen haben?«
    »Ja. Er sagt, er war hier in Trelennan mit vielen Leuten. Hauptsächlich Männer, die für ihn arbeiten, aber auch Derek Cadwell. Und ein Politiker, Rawle. Alle bestätigen, was er sagt.«
    Joe seufzte. Bei so einem soliden Alibi würde die Polizei keine Veranlassung sehen, weiter zu ermitteln.
    »Sie sagen mir, sie wird in die Vermisstenkartei aufgenommen, aber ich kann sehen, dass es ihnen egal ist. Vielleicht ist sie in ihr Heimatland zurückgegangen, sagen sie, und eigentlich wollen sie, dass sie verschwunden bleibt. Sie wollen auch, dass ich verschwinde.«
    »Und Sie halten es nicht für denkbar, dass sie nach Hause zurückgegangen ist?«
    »Ohne es mir zu sagen? Oder unserer Mutter, unseren Verwandten? Nein, das kann nicht sein.«
    »Na gut. Aber sie könnte irgendwo anders in Großbritannien sein.«
    »Ihr Telefon ist tot. Die Polizei sagt, es ist ausgeschaltet. Nach Newquay gab es kein Signal mehr.«
    »Vielleicht ist es kaputt, und sie hat sich ein neues gekauft. Vielleicht hat sie sich nicht gemeldet, weil sie wütend auf Sie ist?«
    »Dann sie würde mit anderen Leuten reden. Mit anderen Verwandten oder mit ihren Freunden in Lettland.«
    »Hatte sie hier ein Bankkonto?«
    »Ja, aber es ist fast leer. Die Polizei sagt, seit August hat niemand mehr etwas eingezahlt oder abgehoben.«
    »Okay. Das ist ein gewichtiges Indiz dafür, dass etwas passiert ist. Aber Sie wissen trotzdem nicht sicher, dass Leon sie hierhergebracht hat. Sie könnte es sich anders überlegt haben. Oder vielleicht ist die Beziehung auch auseinandergegangen, genau wie die davor.«
    Alise verschränkte fest die Arme, als wollte sie ihn abwehren. »Sie wollen mir nicht glauben. Sie suchen nach Gründen, mich eine Lügnerin zu nennen, eine Närrin.«
    Sie hatte die Stimme erhoben, und jetzt starrte das Bikerpärchen wieder Joe an. Genau wie die älteren Frauen.
    »Ich versuche nur gründlich zu sein«, sagte er. »Sie müssen von Beginn an jede Möglichkeit in Betracht ziehen, weil Sie sonst Gefahr laufen, irgendwelchen Phantomen nachzujagen.«
    »Ha. Glauben Sie, ich bete nicht jeden Abend, dass es einen harmlosen Grund für ihr Verschwinden gibt? Glauben Sie, ich hoffe nicht, dass sie irgendwo anders ist, glücklich und wohlauf? Damit ich diesen schrecklichen Ort verlassen und nach Hause zurückgehen kann, zu meinem Job, meinem eigenen Leben?«
    Wieder begann sie zu weinen. Sie nahm das Taschentuch, das sie zuvor schon benutzt hatte, faltete es, bis es extrem klein war, und schaffte es dennoch, sich damit die Nase zu putzen.
    Betroffen streckte Joe die Hand aus und tätschelte ihr kurz die Schulter. »Es tut mir leid. Es ist nicht so, dass ich Ihnen nicht glaube.«
    Alise seufzte. »Sie müssen diese Fragen stellen, ich weiß.«
    »Wo arbeiten Sie?«
    »Bei Versicherung in der City. Ich bin Aktuarin.«
    Joe hatte seine Verblüffung wohl unzureichend kaschiert, denn sie sah ihn spöttisch an. »Sie haben gedacht, ich putze die Toiletten?«
    »Nein. Aber ich bin überrascht, dass Sie für Ihre Nachforschungen so lange freibekommen.«
    »Ich habe meinen ganzen Jahresurlaub aufgebraucht und dazu noch etwas Sonderurlaub aus familiären Gründen. Und sie haben mich gewarnt, dass sie mich feuern, wenn ich nicht in einer Woche wieder da bin. Ich bin gut in meinem Job, aber ihre Geduld ist fast am Ende. Ich muss Kamila sehr bald finden. Auch wenn sie tot ist …«
    Alise verstummte und zuckte nur mit den Achseln. Die Tränen waren versiegt, und an ihre Stelle war ein ruhiger, nüchterner Pragmatismus getreten, der Joe frösteln ließ, obwohl er ihn auf einer anderen Ebene absolut verstand.
    »Wenn sie tot ist, will ich sie wenigstens begraben können.«
    19
    Im Allgemeinen war Leon wie die meisten Menschen der Meinung, dass Sonnenschein eine gute Sache sei. Gut fürs Geschäft in einer Stadt, die auf Tourismus angewiesen war. Gut für die Stimmung – daher solche Ausdrücke wie »ein sonniges Gemüt« oder »ein strahlendes Lächeln«. Und gut für Fotos, für

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