Fear
geräumige Diele. Das Geräusch ihrer Schritte auf den Steinfliesen dröhnte in Leons Schädel. Er warf einen Blick in eines der Wohnzimmer und entdeckte Kestle, den pickligen Rotschopf, der gebannt auf seinen Nintendo DS starrte.
»Warum sind Sie nicht in Truro?«
Kestle antwortete mit Panik in der Stimme: »Marc übernimmt heute diese Tour. Meine Schicht ist gerade zu Ende.«
»Ach ja? Dann machen Sie uns doch mal was zu trinken, okay? Ich nehme das Übliche, und sagen Sie Pam, sie soll mir ein Käsesandwich und Chips bringen. Jede Menge Chips.«
»Hat die Stadt denn keinen Festschmaus für euch aufgefahren?«, fragte Glenn.
»Nur ein bisschen Fingerfood. Vol-au-vents und so’n Kram.« Leon schnaubte. »Andererseits – alles von unseren Steuergeldern bezahlt, also hätte ich mich nur geärgert, wenn es Kaviar und Steaks gegeben hätte.«
»Ich wette, das heben die für sich selbst auf«, bemerkte Glenn finster.
»Ja, ja, kann schon sein.« Leon ging nicht darauf ein; er wusste, dass Glenn sich nur bei ihm einschleimen wollte. »Ist ja auch egal, ich hab ja eh das meiste davon in die Kloschüssel gespuckt.«
Obwohl es oben noch ein kleines privates Arbeitszimmer gab, befand sich Leons Hauptbüro im Erdgeschoss: ein riesiges Zimmer mit einem Schreibtisch, zwei Sofas und einem Konferenztisch, der einem Dutzend Personen Platz bot.
Derek Cadwell saß auf einem der Sofas wie ein schwerfälliger bleicher Zombie und balancierte steif eine Teetasse auf seinem Knie. Clive Fenton saß hinter dem Schreibtisch, einen Ellbogen auf einen Stapel Papiere gestützt, vor sich zwei eingeschaltete Laptops. Fenton war ebenfalls ein schwerer Mann, nicht ganz so groß wie Cadwell und auch keine so groteske Erscheinung, aber extrem übergewichtig. Haare wie der Flaum eines Entenkükens, aufwendig toupiert und gebürstet, um sie voller wirken zu lassen.
Fenton war Leons rechte Hand – auch wenn Glenn sich wahrscheinlich einbildete, dass er selbst diese Position einnahm. Aber Fenton war wirklich ein kluger Kopf, und zudem verfügte er über einen soliden Erfahrungsschatz in juristischen Dingen sowie in Buchhaltung. Tadellose Qualifikationen, und außerdem war er unheimlich gut mit Zahlen, wenn auch nicht ganz so gut wie Leon selbst. Im Kopfrechnen konnte niemand Leon das Wasser reichen.
Beide Männer begrüßten ihn herzlich. Beide merkten, dass etwas nicht stimmte.
»Migräne im Anzug«, sagte er.
»Vielleicht solltest du dich ein wenig hinlegen«, schlug Glenn vor.
Leon setzte sich an den Besprechungstisch. »Später. Zuerst will ich ganz genau wissen, womit wir es zu tun haben.« Er sah, wie Glenn den Mund aufmachte, also sagte er: »Du zuerst, Derek.«
Wie sich herausstellte, wussten sie beide kaum Neues zu berichten. Leon war nicht begeistert.
Kestle kam mit Tee und Kaffee herein, dazu Cranberrysaft für Leon, der sich nichts aus heißen Getränken machte. Leon nahm vorsichtig einen Schluck. Er hatte ein flaues Gefühl im Magen und dennoch irgendwie Heißhunger, was eine häufige Begleiterscheinung seiner Migräneanfälle war.
»Ich will mehr über diesen Joe Carter wissen«, sagte er und zeigte mit dem Finger auf Glenn. »Denkst du, dass Diana dir was verheimlicht?«
Glenn zuckte mit den Achseln, seine Wangen waren knallrot. »Das will ich doch nicht hoffen …«
»Ich auch nicht. Also finde es raus. Ich erwarte nicht, dass du es aus ihr rausprügelst, aber du kannst mehr in Erfahrung bringen als das. Sag ihr, sie soll sein Zimmer durchsuchen, sonst machst du es. Ich will wissen, was er in seinem Geldbeutel hat und in seinem Handy. Da muss doch irgendwas sein.«
Glenn nickte, wirkte aber nicht allzu enthusiastisch. Pam servierte das bestellte Sandwich und eine Auswahl an Chips: Salt-and-Vinegar, Cheese-and-Onion und Quavers, seine Lieblingssorte. Leon schnappte sich eine Tüte, riss sie auf und schlang den Inhalt hinunter.
»Also, was ist jetzt mit diesem verfluchten Mädchen?«, sagte Cadwell. »So geht es nicht weiter, dass ich die ganze Zeit für dich den Kopf hinhalte.«
»Ist mir schon klar«, gab Leon zurück. »Aber dieser Journalist hängt an mir wie eine Klette.«
»Langfristig gesehen könnte sein Artikel die Situation natürlich verschärfen«, warf Fenton ein. »Wenn du dadurch bekannter wirst, könnte es sie dazu ermutigen, noch lauter zu schreien.«
Leon pfriemelte die Reste der Chips aus seinen Backenzähnen, während er über Fentons geschraubte Worte nachdachte. Schließlich signalisierte er
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