FebruarNachtsTraum
bist du nicht hier?
Das klingt verzweifelt.
Was auch immer du Roman schuldig bist, wir brauchen dich jetzt in Bern.
Da ist wieder die Stadt in der Schweiz. Er wird nicht einfach abgehauen sein? Noch einmal leuchtet das Display auf.
Kommst du?
Mein Mund wird trocken und mit zittrigem Finger scrolle ich zurück. Da ist die Nachricht, die Alexander vor zwei Minuten empfangen hat und die plötzlich auch meine Knie weich werden lässt.
Lisa ist wieder ins Koma gefallen.
Mir wird heiß und kalt und ich nehme Alexanders Gesichtsfarbe an: leichenblass. Wie merkwürdig. Ich kenne seine Schwester nicht. Dennoch verknotet sich mein Magen, wenn ich daran denke, wie es ihm gerade geht.
Als ich aufstehen will und den Stuhl zurückrolle, blockiert er. Ich drehe mich um. Da steht mein Bodyguard, kreidebleich, und hält sich an der Lehne fest. Keine Ahnung, seit wann er zurück ist.
»Was kann ich tun?«, frage ich. Unnötig so zu tun, als wüsste ich nicht, was passiert ist. Und unnötig vorzugeben, ich hätte sein Handy nicht in der Hand gehabt.
Alexanders Lächeln ist dünn, doch seine Augen sind feucht. »Du könntest mir fürs Erste mein Handy wiedergeben, Elizabeth. Ich muss meiner Mutter antworten. Bevor sie sich noch mehr Sorgen macht.«
Wie peinlich! Ich springe auf und lege das Handy in seine Hand. Sofort beginnt er zu telefonieren und sammelt Brocken für Brocken alle Informationen zusammen. Ich bin vergessen und damit bleibt meine Haut käsig.
Jedes Mal wenn Alexander auflegt, schaue ich ihn mit großen Augen an. Doch statt mich einzuweihen, beginnt er ein neues Telefonat. Was wie ein Schlag ins Gesicht ist. Also laufe ich untätig im Raum auf und ab.
Mein Telefon klingelt und das LABOR wird angezeigt. Aber ich hebe nicht ab. E-Mails folgen. Weitere Leute versuchen mich zu erreichen, nun sogar auf meinem Diensthandy. Natürlich werde ich dafür bezahlt, meine Arbeit zu erledigen. Doch ich kann keinen Gedanken auf eine ferne bessere Welt verschwenden, wenn meine eigene, kleine Welt gerade so unmittelbar bedroht ist. Und ich schließe meine sonst immer offene Bürotür, als sei ich nicht da.
Zucker hilft in jeder Krise? Keine Ahnung. Hilflos lege ich Alexander Schokobons auf den Tisch. Als er sie nimmt, atme ich etwas auf. Dennoch werde ich keines Blickes gewürdigt. Ob Katharina eine bessere Stütze wäre?
So gut ich kann, schnappe ich Informationen auf. Wie lange Lisa im Koma liegt. Dass ihr Zustand stabil ist. Dass es seinen Eltern furchtbar geht, weil sie die ganze Nacht nicht geschlafen haben. Dass Alexander so schnell wie möglich nach Bern fährt. Dass auch Roman Bescheid weiß und mittlerweile auf dem Weg nach Berlin ist. Und damit wird aus drei Monaten Trennung einer und alles ist viel schneller vorbei, als mir lieb ist.
»Lass uns gehen, Alexander.« Nach Stunden des Ausharrens ist es spät genug und vor lauter Untätigkeit gehe ich gleich die Wände hoch.
Ich ziehe mich an, doch mein Bodyguard macht keine Anstalten, meinem Beispiel zu folgen. Also schalte ich seinen Laptop aus, packe seine Sachen zusammen, zerre ihn schließlich vom Stuhl hoch und komme mit seinem Mantel. Wie eine Puppe lässt er alles mit sich anstellen. Er steckt seine Arme in den Mantel und lässt sich den Schal um den Hals legen. Beim Reißverschluss gerate ich ins Stocken. Hätte ich Kinder, so könnte ich aus dem Effeff den Verschluss von außen zuziehen. Bei meiner Technik hakt er.
»Hör auf, an deiner Lippe herumzuknabbern, Elizabeth!« Mit einem Ratsch übernimmt Alexander und ist wieder in der Gegenwart. Wenigstens etwas.
»Es sind meine Lippen, ich kann damit tun und lassen, was ich möchte.«
Alexander lacht leise und mein Herz macht einen kleinen Hüpfer vor Freude. Erneut klingelt sein Handy und ich gehe davon aus, dass er wieder für Stunden telefonieren wird.
Denk praktisch, Elizabeth! Was würde Alexander an deiner Stelle tun? Ich will mich gerade abwenden und die Autoschlüssel suchen, als er mich plötzlich zu sich zieht und den Anrufer überraschend ignoriert.
»Danke, dass du da bist.«
Nur zu gerne erwidere ich Alexanders Umarmung und wir drängen uns Mantel an Mantel.
»Schwitzt du auch so wie ich?«, fragt Alexander nach einer Weile an meinem Nacken.
»Bei mir herrscht Tropenklima«, scherze ich.
»Bei mir auch«, gesteht er.
»Dann lass uns gehen.« Ich löse mich und mustere so fest wie möglich sein von Sorge gezeichnetes Gesicht. Jetzt muss ich stark sein. Alexander soll sich nicht auch noch
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