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Feder im Sturm: Meine Kindheit in China (German Edition)

Feder im Sturm: Meine Kindheit in China (German Edition)

Titel: Feder im Sturm: Meine Kindheit in China (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emily Wu
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schöne Braut abgeben.«
    Dass sie von meiner künftigen Heirat sprach, war mir peinlich. Ich errötete und fragte nach Chunying.
    »Sie ist drinnen und lässt sich für die Hochzeit das Gesicht öffnen«, antwortete Tante Chen.
    »Was heißt das?«, fragte ich.
    Sie bat mich herein, damit ich es mir selbst ansehen konnte. Drei alte Frauen umringten Chunying, die auf einem Hocker neben dem Fenster saß. Tante Sun hielt einen Faden zwischen den Zähnen und wickelte sich das andere Ende um den Mittelfinger, sodass der Faden fest gespannt war. Dann zog sie ihn langsam über Chunyings Stirn, um den feinen Haarflaum abzuschaben. Chunyings Augenlider zitterten, als der Faden über ihre Haut strich. Als sie mich sah, lächelte sie, hielt den Kopf aber still.
    »Öffnest du ihr das Gesicht, Tante Sun?«, erkundigte ich mich.
    »Ja«, bestätigte sie, »denn jetzt ist sie kein Mädchen mehr, sondern eine Frau. Wenn du einmal heiratest, wird das auch bei dir gemacht.«
    »Tut es weh, Chunying?«, fragte ich.
    »Nein«, meinte sie, »es kitzelt nur.«
    »Nicht reden!«, ermahnte Tante Sun sie.
    Eine der Frauen kämmte Chunyings Haar und band es ihr im Nacken zu einem Knoten zusammen.
    Chunying stand auf, und die Frauen entkleideten sie. Als sie nackt war, zogen sie ihr rote Unterwäsche, eine rote Hose und eine rote Bluse an und setzten ihr eine rote Kopfbedeckung auf. Ihr Gesicht wurde mit einem roten Schleier verhüllt. Eine Frau brachte ein elegantes Paar roter Schuhe herein, das ich gut kannte: Wochenlang hatte Chunying daran gearbeitet, während ich ihr vorlas. Auf die Vorderkappe des einen Schuhs hatte sie einen grünen Drachen gestickt, auf den anderen einen goldenen Phönix. Es waren die Symbole für Glück und eine gute Ehe. Chunying setzte sich und hob die Füße hoch, damit die Frauen ihr die Schuhe anziehen konnten. Damit sie den nackten Erdboden nicht berührten, wurde noch ein zweites, älteres Paar Schuhe über die neuen gestreift.
    Dann verkündete Chunyings Bruder atemlos: »Sie kommen! Sie kommen!«
    Ich lief aus dem Zimmer, um nichts zu verpassen. Dort herrschte hektisches Treiben, und jemand rief: »Schnell, schließt die Tür und sperrt ab!« Die Tür wurde zugeschlagen, und Tante Chen verriegelte sie von innen. Von fern hörten wir Gongs und Trommeln, die immer näher kamen, während wir schweigend dasaßen. Als der Zug an der Tür der Hütte angelangt war, wurden mehrere Batterien Feuerwerkskörper gezündet. Nachdem der Lärm verhallt war, begann ein Mann an die Tür zu hämmern. »Macht auf!«, rief er. »Macht auf!«, wiederholten andere aus der Menge. Ihr Sprechchor wurde zu einem Lied, in das bald alle draußen Stehenden einfielen:
    Macht auf die Tür,
    Macht auf die Tür,
    Wir kommen wegen der Braut.
    Lasst uns ein.
    Ich bekam es mit der Angst zu tun und lief nach hinten zu Chunying. Sie saß zitternd auf ihrem Hocker, die Hände in den Schoß gelegt.
    Aus dem Zimmer nebenan antwortete man den Männern draußen:
    So leicht ist das nicht,
    So leicht ist das nicht,
    Nicht so hastig bei einem Mädchen aus dieser Familie.
    Erst müsst ihr uns den roten Beutel geben.
    Eine Frau öffnete die Tür einen Spalt weit, woraufhin jemand einen roten Beutel hereinschob. Dann wurde die Tür wieder geschlossen und verriegelt. Tante Cheng steckte den Beutel in ihre Tasche.
    Draußen wurde eine weitere Strophe angestimmt:
    Macht auf die Tür.
    Macht auf die Tür.
    Es ist Zeit, die Braut zu holen.
    Wir müssen heimwärts eilen.
    Von drinnen wurde geantwortet:
    Geht fort,
    Geht fort,
    Das ist nicht genug,
    Geht fort.
    Und so ging das musikalische Zwiegespräch weiter, bis die Tür geöffnet wurde und man die Schar des Bräutigams einließ. Als sie hereindrängte, begannen die Frauen drinnen zu weinen und zu wehklagen. Mit großen Augen verfolgte ich das Schauspiel. Tante Chen rief: »Sie will nicht fortgehen, ihr dürft meine Tochter nicht mitnehmen. Nein!«
    Dabei wirkte sie so überzeugend, dass ich befürchtete, es würde zu Handgreiflichkeiten kommen. Doch es war einfach nur eine weitere dörfliche Tradition – die Trauer war nur gespielt.
    Bald weinten alle in der Hütte. Eine Greisin drehte sich zu mir um und sagte: »Du sollst weinen! Los, weine!«
    Ich konnte keine Tränen herauspressen, also rieb ich mir die Augen, damit sie rot wurden.
    Eine andere Frau flüsterte mir zu: »Es ist Zeit, Chunying durch die Tür zu helfen.« Sie brachte mich zu meiner Freundin, die in einem Kreis weinender Frauen sitzen

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