Federschwingen
ihm, sich um den Gestaltwandler zu kümmern. Gut , damit hatte er wenigstens sein Versprechen eingehalten, wenn er auch nicht mehr für Moroi tun konnte. Den Rest, die Ausbildung und die Unterrichtseinheiten, die der nun würde absolvieren müssen, musste der junge Dämon allein auf die Reihe bekommen. Dantalion war davon überzeugt, dass Moroi das durchaus schaffte. Soviel Ehrgeiz und Zielstrebigkeit, wie Moroi gezeigt hatte, war bestimmt hilfreich.
Nach vier Tagen hatte Dantalion endlich das Gefühl, sich nahezu vollständig regeneriert zu haben. Vielleicht wäre es besser, einen weiteren Tag zu bleiben, doch nichts hielt ihn mehr hier. Ohne Frühstück begab er sich zum Portal in der Innenstadt, das schwer bewacht war und zu dem nur jene Dämonen Zugang hatten, die dazu berechtigt waren.
Schon wenige Minuten später war er in ihrem Wächterstützpunkt. Hach, es tat gut, wieder hier zu sein. Er mochte die Niederhöllen und ihren Duft , aber die Menschen und ihre Welt sagten ihm mehr zu. Hier war viel mehr in Bewegung, die Menschen alterten und es gab immer etwas zu tun.
Eilig marschierte Dantalion durch die Villa, blockte Leonard ab, der mit ihm reden und ihm höchstwahrscheinlich die Ergebnisse der letzten Woche mitteilen wollte. Das konnte warten. Was nicht warten konnte, war er. Er musste Erael sehen. Er musste dieses Kapitel abschließen, um das nächste beginnen zu können. Damit wollte er jetzt sofort anfangen. Andernfalls würde er einfach durchdrehen. Und das wollte sicher niemand.
In seinem Zimmer zog er sich rasch um, öffnete das Fenster und stürzte sich in den kühlen Herbstwind, die Flügel weit ausgebreitet wie ein überdimensionaler, kreisender Adler. Er ritt den Aufwind, ließ sich tragen, die Auge n geschlossen, die Sinne weit geöffnet.
Dantalion wusste nicht, wie viel Zeit vergangen war, bis er den ersten Gedankenfetzen auffing, der eindeutig zu Erael gehörte. Jeder Gedankenstrom hatte sein eigenes Muster, und so geordnet hatte er bislang nur Eraels Geist erlebt. Der Engel war wahrhaftig etwas ganz Besonderes.
Er folgte diesem Gedankenstrom, bis er an einem niedlichen, weißen Haus in einem der besseren Wohnviertel ankam. Ein Haus im viktorianischen Queen Anne Stil mit vielen Erkern, Veranda, Hollywoodschaukel und einem großen Garten, den ein kleiner Teich und ein romantischer Pavillon zierten.
Zu seiner Freude entdeckte er Erael unter einem alten Ahorn im Gras sitzen.
Er landete kurz vor ihm und hoffte, dass ihn niemand außer Erael bemerken würde. Es war nicht absehbar, wie Jelial, Zamael oder Yashiel auf seine Anwesenheit reagieren würden. Auf jeden Fall wollte er es nicht unbedingt herausfinden.
Dantalion blieb die Luft weg. Erael war so wunderschön, wie er da an den dicken Stamm gelehnt saß, die Augen geschlossen, einen Ausdruck im Gesicht, als erlebe er gerade einen herrlichen Traum. Am Liebsten wäre er Erael sofort um den Hals gefallen und hätte ihn heiß und innig geküsst. Dieser Anblick reichte aus, um ihn sofort hart werden zu lassen und sein Blut zum Kochen zu bringen. Wie hatte er jemals glauben können, Moroi könnte Erael kopieren?
Erael hob anmutig den Kopf, ihre Blicke trafen sich. Dantalion hatte nie so viel Grazie bei einem Wesen aus Fleisch und Blut erlebt.
„Hast du mich vermisst?“, fragte er lächelnd, was Eraels zuvor heitere Miene einfrieren ließ.
„Da schließt wohl jemand zu viel von sich auf andere“, zischte Erael erbost. Womit er mitten ins Schwarze traf. Dieses Mal gestattete Dantalion es sich, Eraels Gedanken auf sich einströmen zu lassen und konnte zufrieden daraus schließen, dass er recht gehabt hatte. Erael hatte ihn ebenfalls vermisst. Diese Erkenntnis ließ sein Herz höher schlagen und war Anlass für eine schlagartige Steigerung seiner guten Laune.
Erael stand auf und kam auf ihn zu. Dantalion hatte das Gefühl, als würde sich die Luft zwischen ihnen elektrisch aufladen. Bei allen Teufeln, er wollte diesen Engel. So sehr, dass es schmerzte, weil sein harter Schwanz gegen den Reißverschluss seiner Lederhose drückte.
„Ich hab dich zwar nicht vermisst, aber ich wollte dich trotzdem unbedingt sehen.“ Eraels Stimme war wirklich das Schönste, das er jemals gehört hatte. Es fiel ihm schwer, sich nicht nur auf den Klang, sondern auf die Worte und deren Sinn zu konzentrieren.
„Warum? Was ist los?“ Dantalion merkte selbst, wie heiser er sich anhörte. Es hatte Seltenheitswert, dass er sich seine Erregung so sehr anmerken
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