Fee und der Schlangenkrieger
Zeit fandet ihr das okay, dass direkt neben euch ein Stamm sitzt, der sich nicht weiterentwickelt, weil ihr dieses Geheimnis für euch behaltet? Find ich ziemlich assig.“
Tom öffnete den Mund, doch wusste scheinbar nicht genau, was er antworten sollte.
„Ihr seid doch nicht der einzige Stamm auf der Welt, der Bronze herstellen kann“, stellte Schlotte fest.
„Nein“, sagte Tom, froh über die neue Frage, „natürlich nicht. Überall kennen die Leute das Geheimnis, von Skandinavien bis ans Mittelmeer, wir treiben schließlich alle Handel miteinander.“
„Da hast du’s, Fee“, Schlotte sah Tom abfällig an, „das hat überhaupt nichts mit Göttergefälligkeit zu tun. Da steckt eiskalter Materialismus und Berechnung dahinter.“
„Kapitalismus. Schön verkleidet unter einer Maske aus Heiligkeit.“
„,Wir tun nur das, was die Götter uns aufgetragen haben, und wir können den Schlangenleuten nicht helfen, denn das wollen die Götter nicht.’“
„Schön scheinheilig.“
„Und es ergibt nicht mal Sinn. Wieso sollten Himmelsgötter das Geheimnis von Erzerzeugnissen weitergeben und nicht viel eher Erdgottheiten, wär' doch viel naheliegender.“
„Aber…“
„Wahrscheinlich denkt ihr einfach, die Schlangenleute haben das eben nicht anders verdient, hm?“, bohrte Schlotte unbarmherzig weiter, „und dass sie eben die Gesetze der Götter nicht erfüllt haben, oder so ’nen Driss, denn sonst hätten die es ihnen ja verraten.“ Bei dem letzten Wort deutete sie mit den Fingern zwei Anführungszeichen in der Luft an.
„Das ist echt übel“, schimpfte Fee, „sowas hätte mich im Mittelalter mit der katholischen Kirche nicht überrascht, wenn wir dort gelandet wären, aber von dir, Tom, hätt’ ich echt was Besseres erwartet!“
Tom sah hilflos aus und Ela explodierte.
„Jetzt mach mal ’nen Punkt! Das war doch nicht Toms Idee. Klar ist das kacke, aber da kann er doch nichts für. Hör auf, ihm hier die Schuld zu geben! Erzähl weiter, Tom.“
Tom nickte.
„Danke, Ela.“ Er lächelte sie dankbar an und drückte ihre Hand. Ela wurde warm. „Es stimmt, es ist nicht meine Schuld, und jetzt, da ich in eurer Zeit gelebt hab, sehe ich das Ganze auch anders. Aber jeder ist ein Kind seiner Zeit, und ich war eingebunden in die Verhältnisse und Denkweisen meines Stammes. Früher bin ich nie drauf gekommen, infrage zu stellen, wie die Dinge sind. Ich habe das Schlangenvolk genauso gehasst, wie alle anderen. Ihr müsst wissen, nur weil die Waffen, die sie herstellen, schlechter sind und ihr Metall weniger hart ist als unseres, verfügen sie nicht automatisch über weniger Mut. Sie können keine Bronze herstellen, und treiben deswegen keinen Handel. Sie sind viel ärmer als das Sonnenvolk. Aber sie haben genug von unseren Waffen gestohlen, um uns das Leben schwerzumachen. Mich hat das nie beunruhigt. Alles, was man mir beibrachte, schulte meine Geschicklichkeit und meine Kraft. Ich wuchs heran und es war nur eine Frage der Zeit, bis der Titel des Anführers unseres Dorfes von meinem Vater mir übertragen wurde. Mir machte es Spaß,
ihn
immer wieder in seine Schranken zu verweisen…“
Ela spürte, das Tom an einem Punkt angelangt war, von dem zu sprechen ihm nicht leicht fiel. Das musste mit
ihm
zu tun haben, wer auch immer
er
war.
„Mein Leben hätte nicht besser sein können. Meinem Volk ging es gut, ich war beliebt.“ Er sah Ela mit einem merkwürdigen Blick an. „Und dann verliebte ich mich in Elinorak.“
„Elinorak“, flüsterte Ela und erwiderte seinen Blick. Fee kam es vor, als hätten die beiden sie und Schlotte vergessen.
„Das klingt wie Anorak“, kommentierte Schlotte neben ihr, „was haben die denn hier alle für bescheuerte Namen?“
„Es bedeutet Tochter der Sonne“, Tom hatte den Blick immer noch nicht von Ela abgewandt, „in meiner Sprache ist das Wort für Sonne Ela.“
Ela war froh, dass sie saß. Ihr war, als würde ihr Körper ganz weich, und sie schwor sich innerlich, dass sie Schlotte und Fee verprügeln würde, wenn die jetzt einen doofen Spruch zögen. Ihr war klar, dass all dies mehr bedeutete als an der Oberfläche sichtbar war, und dass es kein Zufall war, dass sie Tom entgegen aller Wahrscheinlichkeit in die Bronzezeit gefolgt war.
Fee und Schlotte schwiegen jedoch, und es war Ela egal, wie viele spöttische Blicke die beiden austauschten; sie achtete nicht auf sie.
„Wie sah sie aus?“, fragte Ela. Ihre Stimme kam nur als leises Flüstern
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