Fee und der Schlangenkrieger
Klumpen Ton zu geben. Die ältere Frau und der Mann – die Eltern? – beobachteten sie misstrauisch. Fee begann, den Ton zu kneten und zu magern, und die anderen nahmen ihre Arbeiten wieder auf. Fee lernte einige neue Wörter, doch sie konnte es nicht ändern, die Töpfer wollten nicht mit ihr sprechen. Während sie arbeitete, die neuen Wörter wiederholte und sich abschaute, wie sie ihre Gefäße aufbauten und verzierten, verging der Tag. Fee hing ihren Gedanken nach.
Ela und Tom. Das wollte ihr einfach nicht in den Kopf. Naja, vielleicht gab Ela jetzt endlich Ruhe und ging ihnen nicht mehr auf die Nerven, wo tatsächlich endlich der Märchenprinz gekommen war und sie gefunden hatte, auf den sie die ganze Zeit gewartet hatte. Und irgendwie passten die beiden ja auch tatsächlich zusammen auf eine merkwürdige, freakige Art und Weise. War trotzdem schade. Denn nun saß sie, Fee, hier in der Bronzezeit fest und musste sich eingestehen, dass sie eigentlich an Raphael auch nicht interessiert gewesen war; nicht dass das jetzt noch irgendeine Rolle spielte. Tom konnte sie abschreiben und wer wusste, wie lange es dauern würde, bis sie wieder nach Hause kamen? Alles was sie hier tun konnte, war herumsitzen und auf Aragorn warten.
„Was machst du da!“, herrschte eine Männerstimme sie an und Fee hob den Kopf. Tom, natürlich. Er war der einzige Mann hier, der Deutsch sprach. Er war auch der einzige Mann, der es völlig natürlich fand, so mit ihr zu sprechen – hatte er als Dozent schon getan.
„Ich läute die Eisenzeit ein“, antwortete Fee deshalb mit honigsüßer Stimme, „siehst du? Ich töpfere ein hallstattzeitliches Kegelhalsgefäß. Oder vielleicht doch lieber eine latènezeitliche Linsenflasche?“
Tom sah sie alarmiert an. „Das kannst du nicht machen!“
„Doch, kann ich wohl. So funktioniert Archäologie doch, oder? Hast du mir schließlich selbst erklärt, ist noch gar nicht so lange her. Herzlichen Glückwunsch, Tom, das bedeutet, ich hab deinem Volk gerade zu einem kulturgeschichtlichen Sprung nach vorne verholfen, von dem ihr nie geträumt habt.“
Tom sah aus, als würde er sie am liebsten ohrfeigen, als wollte er lachen und weinen gleichzeitig und lehnte sich stattdessen einfach nur an den Eckpfeiler der Holzmarkise. Er wandte den Kopf und sah hilflos in den Regen hinaus. Fee tat er mit einem Mal leid. Sie drückte die Wände ihres Tongefäßes, die sie in früheisenzeitlicher Manier nach außen gezogen und schräg nach innen geknickt hatte, zusammen und zerstörte ihr Arbeitsstück. Dann trat sie zu Tom. Er sah müde aus und Regentropfen hingen in seinem Haar.
„Du hast mich geärgert“, sagte Fee, „mit deinem Tonfall. Deshalb hab ich dich mit dem Hallstattgefäß auflaufen lassen. Es tut mir leid, irgendetwas hast du an dir, das immerzu das Schlimmste aus mir herausholt, ich muss dich irgendwie immer ärgern.“ Sie hob die Hand und strich ihm ein paar Strähnen regennasses Haar aus dem Gesicht. Dann verschränkte sie die Arme erschrocken über ihren eigenen Mut vor der Brust. „Es ist alles ein bisschen zuviel für dich, oder?“
Tom nickte.
„Ich hab euch noch so viel zu erzählen. Deshalb wollte ich dich holen, Charlotte ist zurückgekehrt. Und ich verstehe die Hälfte der Ereignisse selber nicht. Die Hälfte, die ich verstehe, die Dinge, die ich getan habe, die ich vergessen hatte… mir wäre es lieber, wenn ich sie weiterhin vergessen könnte. Aber das geht nicht. Und dazu kommt noch, dass ich mich verändert habe, ich habe vierzehn Jahre lang in einer komplett anderen Welt gelebt, und jetzt bin ich wieder hier… ich komme damit nicht zurecht. Ich kann Charlotte so gut verstehen, ich war auch glücklich in Bonn, ich würde mein Leben dort gern weiterführen. Gleichzeitig bin ich aber auch froh, dass ich wieder hier bin, meinen Vater wieder zu sehen… es ist so verwirrend. Und es tut mir so unendlich leid, dass ich euch da mit hereingezogen habe.“
Fee verstand ihn. „Kein Wunder, dass du dich überfordert fühlst“, sagte sie, trat auf ihn zu und nahm ihn in den Arm. Es dauerte einen kurzen Moment, dann entspannte sich Tom und ließ sich halten.
„Ich bin sicher, das kommt wieder“, sagte Fee tröstend, „heute abend wirst du wieder in den Stamm aufgenommen und du hast ja auch Ela, die hilft dir sicher, und gemeinsam findet ihr euch zurecht.“
Tom löste sich von ihr und sah sie an. Fee lächelte. „Lass dir ein bisschen Zeit, Ning.“
„Ning…“,
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