Fee und der Schlangenkrieger
sich alle anhören wie irgendwelche Völker? Slowenen, Remer, Sami, Alanen...“
Schlotte runzelte die Stirn. „Ist das nicht eher Zufall? Oder heißt einer bei den Kindern vielleicht noch
Awari
? Oder
Hunni?
“
„Vielleicht“, überlegte Fee, „gehen die ganzen Stammesnamen auf die Bronzezeit zurück. Sie entwickeln sich aus irgendwelchen Genealogien, deren Stammväter Alani und Awari sind.“
„Bestimmt, Fee.“
Fee lachte.
„Dann hätten wir gerade eine Frage beantwortet, die weder die Archäologie noch die Philologie sich je gestellt hätten.“
„Wenn Ela ihr Baby kriegt, dann geh aber bloß nicht hin und sag ihr, sie soll es „Kelti“ nennen“, prustete Schlotte.
„Oder Etruski.“
„Wo ist denn Skythi?“ Schlotte schnappte nach Luft.
„Der spielt mit Sarmati.“, antwortete Fee und die beiden schütteten sich aus vor Lachen. In dem Augenblick kam Alani durch das Unterholz auf sie zugerannt. Wenn er vorher ängstlich ausgesehen hatte so wirkte er jetzt jenseits von Gut und Böse. Fee sprang auf.
„Alani!“, sagte sie und nahm ihn auf den Arm. „Was ist passiert?“
„Das Dorf...“, japste der kleine Junge, „das Dorf, das...“
„Alani, alles ist gut“, Fee drückte ihn an sich, „atmen! So ist es gut! Was ist passiert?“
Das Dorf wurde überfallen. Schlotte und Fee, die Alani auf dem Arm trug, schlichen sich zum Waldrand. Vor ihnen breiteten sich die Wiesen und die Felder aus, und sie konnten über die Palisade hinweg ins Dorf auf der Hügelkuppe hineinsehen. Zwischen den Häusern tobten noch vereinzelte Kämpfe, doch es schien, dass der Hauptangriff abgewehrt war. Fee setzte Alani ab und schärfte ihm ein, sich nicht zu bewegen und sich still zu verhalten. Dann schlich sie mit Schlotte noch ein paar Schritte vorwärts, dahin, wo die Bäume aufhörten und die Wiesen begannen. Sie konnte jetzt sehen, wie die Schlangenkrieger das Dorf verließen. Vorne weg jagte Lenyal, so wie sie ihn in Erinnerung hatte, in Schwarz gekleidet auf seinem schwarzen Pferd, langes Haar und eiskalter Blick. Hinter ihm lagen auf dem Pferderücken zwei Säcke mit Getreide. Bei seinen Gefährten war es ebenso. Sie hatten das Dorf also angegriffen, um zu stehlen. Lenyal und seine Reiter hielten direkt auf den Wald zu. Schlotte und Fee duckten sich. Dicht hinter den Schlangenkriegern folgten die Sonnenkrieger auf Pferden. Sie schossen mit Pfeilen auf die Flüchtenden, konnten wegen des Gerüttels jedoch nicht zielen. Die Schlangenkrieger gewannen an Abstand. Sie schlugen einen Haken und ritten in nördlicher Richtung am Wald vorbei.
„Wo liegt eigentlich das Dorf der Schlangenkrieger?“, zischte Fee Schlotte zu, doch Schlotte starrte gebannt nach Süden.
„Das ist doch der Knüttel“, stieß sie hervor, sprang aus dem Gebüsch und rannte über die Wiese davon.
„Schlotte!“, schrie Fee und lief ohne nachzudenken hinterher.
„Feeeeee!“, rief eine helle Stimme hinter ihr und Fee fuhr herum. Alani kam weinend zwischen den Baumstämmen hervor, und Fee verfluchte sich dafür, dass sie ihm solche Angst gemacht hatte. Er musste ja denken, sie lief weg und ließ ihn allein! Sein Blick sprang von Fee zu den Reitern und wieder zurück. Ihre Augen folgten seinem Blick. Lenyal hatte sie gesehen.
„Alles gut, Alani“, sagte Fee, „ich lass dich nicht alleine. Komm her.“
Sie nahm Alani auf den Arm, richtete sich auf und erwiderte den Blick des Mannes auf dem schwarzen Pferd. Wahrscheinlich vergingen nicht mehr als ein paar Sekunden, aber Fee kam es vor, als erlebe sie alles in Zeitlupe. Zum ersten Mal sah sie sein Gesicht ohne die starre Maske aus Hass, aber sie konnte seinen Gesichtsausdruck nicht deuten. Was mochte in ihm vorgehen? War er glücklich, sie zu sehen? Glaubte er, sie sei Ennaj? Und wenn ja, glaubte er, sie habe ihn verraten? Da sie beim Sonnenvolk lebte? Je länger sie ihn ansah, desto wahrscheinlicher schien ihr, dass er einfach nur fassungslos war. Er hatte Ela gesehen, aber er hatte nicht gewusst, dass sie, Fee, hier war. Vermutlich war es in diesem Augenblick einfach nur zuviel für ihn, seine Ennaj, die er hatte sterben sehen, lebendig wieder zu sehen.
Ein Pfeil surrte an ihm vorbei. Die Sonnenkrieger hatten aufgeholt. Sie sah einen seiner Begleiter seinen Arm packen und ihn mit sich ziehen. Lenyal wandte den Kopf zu seinem Gefährten und wieder zurück, sah sie noch einmal an, bevor er seinem Pferd die Hacken in die Flanken schlug und davon stürmte. Die Zeit lief wieder
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