FEED - Viruszone
wusste sie. Sie hat uns erzählt, was sie getan hat und wie wir mehr herausfinden können, hab ich recht? Rick war dabei, und sie hat nicht mit dem Finger auf ihn gezeigt. Es hat ihr leidgetan, George. Sie wollte nicht, dass jemand ums Leben kommt. Warum hätte sie uns also mit einem Kuckucksei im Nest zurücklassen sollen?«
»Und wenn sie es nicht gewusst hat?«
»Und wenn?« Shaun schüttelte den Kopf. »Rick haben sie auch umzubringen versucht. Wenn sein Auto ein bisschen schlechter gepanzert gewesen wäre oder wenn er in einem etwas anderen Winkel getroffen worden wäre, dann wär’s das gewesen. So etwas kann man nicht vortäuschen. Und laut dem Anruf beim Seuchenschutz waren wir alle gegrillt, nicht nur wir beide. Was also, wenn Buffy es nicht gewusst hat? Rick ist kein Trottel. Inzwischen hätte er was gesagt.«
»Du findest also, dass wir ihn behalten sollten.«
»Ich finde, dass wir es uns nicht leisten können, noch jemanden zu verlieren. Und ich finde, dass ich ein gleichberechtigter Partner in unserem Unternehmen bin, jetzt, wo Buffy fort ist, also steh auf.«
Ich blinzelte. »Wie bitte?«
»Steh auf.« Shaun erhob sich und zeigte aufs Bett. »Du machst ein Nickerchen, und zwar jetzt sofort.«
»Ich kann kein Nickerchen machen. Ich warte auf Mahirs Rückruf.«
»Er kann mit deinem Anrufbeantworter reden.«
»Nein, kann er nicht.«
»Georgia … «
»Lass mich noch ein bisschen warten.«
»Nein.« Shauns Tonfall war unnachgiebig. »Ich baue die restlichen Geräte auf, ich schmeiße die Server an, und ich schaue nach, wer dran ist, wenn dein Telefon klingelt. Sobald Mahir sich meldet, wecke ich dich, ohne einen Gedanken daran zu verschwenden, dass du dich zu Tode schindest. Damit bin ich einverstanden, aber abgesehen davon treffe ich jetzt eine Entscheidung, und diese Entscheidung lautet, dass du, Georgia Carolyn Mason, jetzt zu Bett gehst. Wenn dir diese Entscheidung nicht passt, kannst du Widerspruch beim hohen Gericht einlegen, dass aus mir besteht, der dir von hinten eins über den Schädel gibt, sobald du dich umdrehst.«
»Kann ich meine Schmerzmittel haben?«
»Du kriegst zwei Pillen und ein Kissen«, sagte Shaun. »Wenn du wieder aufwachst, wird die Welt ein Zauberland voller Zuckerstangen, Einhörner und fertig eingerichteter Server sein. Und Rick bleibt an Bord. Abgemacht?«
»Abgemacht.« Ich stand auf, zog die Schuhe aus und setzte mich wieder aufs Bett. »Mistkerl.«
»Mach die Augen zu.« Ich tat, wie geheißen. Shaun nahm mir die Sonnenbrille ab und drückte mir zwei kleine, runde Dinger in die Hand. »Schluck die, und die Brille kriegst du wieder, wenn du aufwachst.«
»Das ist eine ganz miese Tour«, beschwerte ich mich und schmiss die Pillen ein. Sie lösten sich praktisch sofort auf und hinterließen den bitteren Nachgeschmack von Codein. Kraftlos und mit geschlossenen Augen ließ ich mich auf die Seite fallen. »Du spielst unfair.«
»So bin ich.« Shaun küsste mich auf die Stirn. »Ruh dich aus, George. Wenn du wieder aufwachst, ist alles besser.«
»Nein, ist es nicht«, sagte ich und fügte mich ins Unvermeidliche. »Dann ist es bloß später. Später heißt nicht besser. Später heißt bloß, dass wir weniger Zeit haben.«
»Schlaf«, sagte Shaun.
Und das tat ich.
Die Wahrheit sieht so aus: Für unser Land ist Angst eine Gewohnheit, eine Lebenseinstellung geworden. Und auch wenn die Erkenntnis schwerfällt – das ist nicht nur in unserem Land so. Überall auf der Welt kann man das Phänomen beobachten, es ist wie eine Sucht. Die Menschen lechzen nach Angst. Angst rechtfertigt alles. Wenn man Angst hat, darf man eine Freiheit nach der anderen opfern, bis jede unserer Bewegungen zurückverfolgt und in Dutzenden von Datenbanken aufgezeichnet wird, auf die der Durchschnittsmensch niemals Zugriff erhält. Angst erschafft, definiert und gestaltet unsere Welt, und ohne sie hätten die meisten von uns keine Ahnung, was sie mit sich anfangen sollten.
Unsere Vorfahren haben von einer Welt ohne Grenzen geträumt, während wir uns neue Grenzen herbeiträumen, die wir um unsere Häuser, unsere Kinder und uns selbst herum errichten. Tag für Tag schränken wir unsere Möglichkeiten mehr ein, im Namen einer Sicherheit, die uns doch nie sicher genug ist. Eine Welt voll unzähliger Möglichkeiten haben wir so klein gemacht, wie wir nur konnten.
Fühlen wir uns jetzt sicher?
Aus Unschöne Bilder , dem Blog von Georgia Mason,
6. April 2040.
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Ich erwachte und hörte
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