FEED - Viruszone
Rick und Shaun leise streiten, im Hintergrund das beruhigende statische Brummen von Servern und Computern. Wie versprochen hatte Shaun das Netzwerk in Gang gekriegt, während ich geschlafen hatte. Ich streckte mich versuchsweise und stellte zufrieden fest, dass ich keine Kopfschmerzen hatte und dass mein Schädel sich auch nicht anfühlte, als sei er mit Medikamentenwattevollgestopft. Ich würde weiterleben. Später würde ich dafür bezahlen – meine Kopfschmerzen rühren von kleinen Verletzungen des Sehnervs her, und je mehr künstliche Stimuli ich einsetze, um sie zu unterdrücken, desto wahrscheinlicher ist es, dass der Schaden dauerhaft wird – , aber ich würde weiterleben.
»… sage dir, du lässt sie schlafen, bis sie aufwacht. Arbeite an deinem Artikel.«
»Es sind die Töchter der Amerikanischen Revolution. Sie haben seit der Revolution nichts Neues zu sagen gehabt.«
»Dann sollte das ja einfach zu schreiben sein.«
»Arschloch.«
»He, Mann, ich will bloß, dass du deine Arbeit machst und meine Schwester ein bisschen schlafen lässt. Ist das so falsch?«
»Jetzt gerade? Ja.«
»Streichel deine Katze und mach deinen Artikel fertig.« Shaun klang erschöpft. Ich fragte mich, wie lange ich wohl in meinem traumlosen, drogeninduzierten Wunderland gewesen war, während er sich mit den Servern abgemüht und auf Mahirs Anruf gewartet hatte.
Anscheinend hatte ich geseufzt, denn ich hörte Schritte. Die Matratze bog sich durch, als Shaun sich auf die Bettkante stützte und besorgt fragte: »George? Brauchst du was?«
Noch acht Stunden mehr Schlaf, neue Augen und eine wiederauferstandene Buffy. Da ich aber wohl nichts von dem, was ich wirklich wollte, kriegen würde, antwortete ich mit einem Seufzer: »Meine Sonnenbrille?« Meine Stimme war rau und kratzig. Ich wandte das Gesicht Shaun zu, hielt die Augen geschlossen und hob die Brauen, um meine Bitte zu unterstreichen.
Er berührte meine Hand mit den Fingerspitzen und drückte mir dann die Sonnenbrille in die Hand. »Du warst etwa zehn Stunden weg. Ich habe dreimal versucht, bei Mahir anzurufen, aber er antwortet nicht. Becks sagt, dass sie noch einmal nach uns mit ihm gesprochen hat, als sie ihn darum bitten musste, ein paar ihrer Tagebuchdateien zu löschen und neu hochzuladen, aber seitdem hat niemand von ihm gehört.«
Becks … ? Ach so, Rebecca Atherton, die Newsie, die er mir nach der üblen Sache in Eakly geklaut hatte. Ich setzte die Sonnenbrille auf und öffnete die Augen. Einen Moment lang orientierte ich mich, dann setzte ich mich auf. Es dauerte ein bisschen, bis ich wieder scharf sehen konnte. Shaun legte mir eine Hand aufs Knie, um mir Halt zu geben, und ich legte meine darüber und blickte zum entfernten Schein der Computermonitore an der gegenüberliegenden Wand. Ich sah einen verschwommenen Fleck Dunkelheit, der sich vom Grün abhob, nickte ihm zu und sagte: »Hi Rick.«
»Hi Georgia«, antwortete der Fleck. »Geht’s dir besser?«
»Ich bin halb blind, und ich habe das Gefühl, als hätte mir ein Möwenschwarm in den Kopf geschissen, aber es tut nicht weh, also werd ich’s wohl überleben.« Ich drückte Shauns Hand. »Wie war die Veranstaltung mit den Töchtern?«
»Langweilig.«
»Gut. Immerhin eine Sache, bei der man sich darauf verlassen kann, dass sie öde bleibt.« Langsam begannen meine Augen wieder zu funktionieren. Der Fleck hatte jetzt einen Kopf. »Beabsichtigst du zu bleiben, oder müssen wir deine Stelle auch neu ausschreiben?«
Rick überlegte. »Shaun meinte, dass ihr das schon besprochen hättet.«
»Wir beide, ja. Wir drei? Wohl nicht.« Ich zuckte mit den Schultern. »Ich dachte mir, dass du da auch ein Wörtchen mitreden solltest. Möchtest du bleiben? Ich fürchte, unsere Überlebensquote sieht nicht so gut aus. Eins zu vier ist echt übel.«
»Ich lasse es lieber bei euch drauf ankommen als bei irgendwem sonst, der mir einfällt, wenn es euch recht ist.«
Ich hob die Brauen so weit, dass sie über die Gläser meiner Sonnenbrille schauten. »Ach? Und was für eine Logik ist das?«
»Ich weiß, dass ich dich und deinen Bruder noch nicht lange kenne und dass ihr kaum Gründe habt, mir zu vertrauen, und das, was ich gleich sage, macht es wahrscheinlich nicht besser. Aber ich war jahrelang mit Buffy befreundet. Sie war ein guter Mensch, und sie wollte nie irgendjemandem wehtun, aber wenn ich nicht lange genug in diesem Team bleibe, um dafür zu sorgen, dass ihr das im Kopf behaltet, dann wird man sie nicht
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